ist ein Fortschritt gegenüber Tierversuchen und nicht nur ein Ersatz!
Oft – und häufig berechtigt – lautet der Vorwurf an Wissenschaftler, sie würden über Leichen gehen, nur um sich zu profilieren, den Doktor- oder Professorentitel zu erwerben oder einen Chefarztposten zu erhaschen. Hinter diesem Vorwurf steckt die Erkenntnis, dass viele Tierversuche keinerlei sinnvolles Resultat erbringen und die sichere Übertragbarkeit auf den Menschen nicht möglich ist. Gemacht werden sie, weil sie einfach durchzuführen sind und man damit schnell sein Karriereziel erreicht. Das Interesse, wirkliche Fortschritte zugunsten kranker Patienten zu erzielen, ordnet sich daher dem Egoismus unter. Dass es aber auch anders geht, zeigen einige kurze Berichte über Forschungserrungenschaften, die in der Schweiz (mit-)entwickelt wurden und die Tierversuche nicht nur ersetzen, sondern erhebliche Vorteile gegenüber Tierversuchen bieten.
Dreidimensionales Zellmodell zeigt Schädigungen durch inhalative Gifte
Viele Erkrankungen der Lunge gehen auf die Inhalation von Schadstoffen zurück, so z.B. Asbest, Feinstaub oder Teer. Untersuchungen über die Auswirkungen am Tier sind sehr belastend und meist wenig aussagekräftig. Zwei Forscherinnen aus Bern haben ein dreidimensionales Zellmodell entwickelt, um die Wechselwirkungen zwischen Schadstoffen und Abwehrzellen in der Lunge zu untersuchen. In einer speziellen Kammer sind die relevanten Zelltypen wie z.B. Epithelzellen enthalten. Das Prinzip funktioniert so gut, dass selbst der Einfluss von Nanopartikeln, also extrem kleinen Teilchen, untersucht werden kann. [1]Parasiten brauchen keine Hunde und Katzen
Die Parasiten Neospora caninum bzw. Toxoplasma gondii lösen beim Menschen Krankheiten aus, benötigen aber als Zwischenwirte Hunde bzw. Katzen. Mit Untersuchungen an diesen Parasiten können Medikamente und Impfstoffe entwickelt werden. In Zellkulturen von Darmzellen können die Entwicklungsstadien der Parasiten wesentlich einfacher als im Tierversuch studiert und neue Wirkstoffe vorgeprüft werden. [2]Knochenimplantate sollten an menschlichen Knochen getestet werden
Knochenimplantate werden in der Chirurgie benötigt, um Knochenbrüche zu stabilisieren oder defekte Gelenke auszutauschen. Es handelt sich dabei insbesondere um Schrauben, Nägel, Draht, Platten und komplette Gelenke. Viele Forscher testeten ihre neuen Knochenimplantate an Schafen. Im traditionellen Wintersportort Davos, wo es häufig zu Knochenbrüchen kommt, haben sich Forscher gefragt, was dieser Unsinn soll, schliesslich soll mit den Knochenimplantaten später vor allem Menschen geholfen werden, deren Knochen nun mal andere Eigenschaften haben als die von Schafen. Sie haben eine Kultur von lebenden Knochenscheibchen entwickelt, an denen die Materialien getestet und optimiert werden können. Das Knochenmaterial verhält sich dabei wie im intakten Körper. Möglich wird dies dadurch, dass auf die Knochenzellen periodisch Druck ausgeübt wird. Das Ausgangsmaterial stammt zum Beispiel von menschlichen Knochen, die nach Hüftgelenksoperationen nicht mehr benötigt werden. [3]«Es gibt auch die innovativen Schweizer Forscher, die aufzeigen, dass es ohne Tierversuche geht. Und zwar nicht mit sog. gleichwertigen Alternativmethoden zu Tierversuchen, sondern mit klar besseren und sichereren tierversuchsfreien Testverfahren.» A.I. |
Künstliches Fütterungssystem für Zecken
Zecken können einige Krankheiten übertragen. Um Wirkstoffe zu finden – die man auf die Haut oder Kleidung auftragen kann, um damit Zecken abzuschrecken – würden einfache Forscher annehmen, es sei hierfür notwendig, Wirtstiere in Tierversuchen einzusetzen. P. Guerin in Neuchâtel bewies, dass es auch anders geht: Eine künstliche Fütterungseinheit besteht im Wesentlichen aus einer hautähnlichen Silikonmembran, hinter der sich das Fütterungsmedium Blut befindet. Diese Methode bietet erhebliche Vorteile. So können beliebige Medikamente oder Wirkstoffe auf die Membran oder ins Blut eingebracht werden. Ausserdem ist das System automatisierungsfähig, dass heisst benötigt weniger Zeitaufwand, ist dadurch weniger fehleranfällig und erheblich kostengünstiger. [4]Qualitätssicherung von Infusionen
Bereits abgestorbene Zellen können Fieber auslösen, wenn sie in einem Medikament gespritzt oder als Infusion verabreicht werden, auch wenn diese aufgrund von Sterilisation keine Infektion im eigentlichen Sinne darstellen. Im Pyrogentest werden solche fieberauslösenden Stoffe aufgespürt. Weltweit kostete das bisher pro Jahr einer halben Million Kaninchen das Leben. Das ECVAM Scientific Advisory Committee empfahl 5 Testverfahren, die allesamt auf kultivierten Blutzellen des Menschen basieren und für den Menschen spezifischer, weniger zeitaufwendig, kostengünstiger und empfindlicher sind und damit gleich eine Palette an Vorteilen aufweisen. [5]Spezifische Computervorhersagen statt wahllosem Lottospiel
Computer-Aided Drug Discovery, kurz CADD oder auf Deutsch computerunterstützte Wirkstoffentdeckung, ist ein einfaches und doch geniales Computersystem einer Basler Expertengruppe. Viele Wirkstoffe in der Medizin entfalten ihre Wirkung, indem sie an einem sogenannten Rezeptor andocken. Man kann sich dies wie ein Schloss vorstellen, in das ein bestimmter Schlüssel gesteckt wird. Je besser dieser Schlüssel passt, desto stärker die Wirkung, die letztlich zum Türöffnen oder Türverschluss führen sollte, um beim Vergleich zu bleiben. Je weniger spezifisch ein Medikamentenwirkstoff zu einem Rezeptor passt, desto wahrscheinlicher sind Nebenwirkungen. Das Computersystem hat acht der wichtigsten Rezeptoren gespeichert und kann berechnen, wie stark ein neuer Wirkstoff an diese Rezeptoren binden wird. Damit können bereits im Vorfeld viele sinnlose Wirkstoffe aussortiert werden, was Fehlentwicklungen reduziert und damit Zeit und Kosten einspart. [6]Dr. med. Alexander Walz
Arzt, wissenschaftlicher und medizinischer Berater der AG STG
Quellenangaben:
[1] Geiser-Kamber, Marianne, und Lang, Doris: In vitro replica of the inner surface of the lungs, for the study of particle-cell interaction. 3R-Project 89-03, 2007
[2] Hemphill, Andrew, und Vonlaufen, Nathalie: Development of an in vitro culture model to generate Neospora caninum and Toxoplasma gondii oocysts and sporozoites. 3R-Info-Bulletin, 2007, 24
[3] Richards, R. Geoff; Stoddart, Martin; Simpson, Angharad, und Furlong, Pamela: Bone Formation in a loading chamber for ex-vivo bone culture. 3R-Info-Bulletin, 2007, 28
[4] Guerin, Patrick: Screening methods for repellents and attachment deterrents for ticks in-vitro. 3R-Info-Bulletin, 2007, 27
[5] Hartung, Thomas: Development of an interleukin-1 (IL-1) assay with rabbit blood as an alternative to the rabbit pyrogen test. 3R-Info-Bulletin, 2007, 17
[6] Vedani, Angelo: Internet laboratory for predicting harmful effects triggered by drugs and chemicals. 3R-Info-Bulletin, 2007, 29