Der Präzedenzfall Brokkoli

Patent auf konventionell gezüchteten Brokkoli

Die ursprüngliche Idee von Patenten hat durchaus ihre Berechtigung.
Wer kennt nicht das Beispiel vom kleinen Erfinder, der jahrelang an seinem Projekt tüftelt und sich somit mit einem Patent davor schützen kann, dass niemand seine Erfindung einfach kopieren und vermarkten kann?
Patente dienten diesen Tüftlern somit oft als Schutz vor skrupellosen Firmen, die den kleinen Erfindern sonst wohl öfters ihre Ideen gestohlen hätten.
Doch stimmt dieses Bild so immer noch? Wen und was schützen Patente denn heutzutage?


Die Zeiten wirklich grosser Erfindungen sind praktisch vorbei. Die meisten Erfindungen heutzutage sind technische Spitzfindigkeiten, sind Abänderungen und kleine Erweiterungen bereits vorhandener Produkte. Immer mehr Firmen haben den Pfad der innovativen Entwicklung bereits vollkommen verlassen und bereichern sich nur noch am Sammeln und Verkaufen von Patenten. Besonders skrupellos verhalten sich, was wohl niemanden wirklich verwundert, die Pharmakonzerne.
Diese investieren zwar jährlich mehr Geld in Forschung und Entwicklung. Jedoch davon immer weniger dafür, um «echte» neue Medikamente zu entwickeln, sondern hauptsächlich, um ihre Auslaufmodelle, mit dem «Trick» einer kleinen Änderung der Inhaltstoffe, wieder neu patentieren lassen zu können.

Laut einer Studie des Centre Info ist die Anzahl der neu entwickelten Moleküle seit Jahren stabil (jährlich kommen etwa 25 bis 30 neue Moleküle auf den Markt). Hingegen zeigt sich in der Anzahl von neu patentierten Scheininnovationen eine massive Steigerung.
Die Firma PriceWaterhouseCoopers kommt zum gleichen Schluss. Zwischen 1995 und 2007 sind bei den Pharmakonzernen die Ausgaben für die Entwicklungsabteilung zwar massiv gestiegen, jedoch die von der FDA (amerikanische Arzneimittelbehörde) neu zugelassenen Wirkstoffe haben ständig abgenommen.

Weltweit werden jährlich über 200 000 verschiedene Arzneimittel vermarktet. Es gibt z.B. über 600 verschiedene Medikamente gegen Husten und Erkältungen und fast 400 verschiedene Schmerzmittel sind auf dem Markt erhältlich. Wie viele praktisch identische Medikamente brauchen wir denn noch?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet von allen Medikamenten ganze 300 als wirklich notwendig.


Wohingegen die grossen Pharmakonzerne wirklich innovativ sind, das ist im Bereich des Marketings (Werbung und Verkaufsförderung). 2006 verwendeten die 20 vom Umsatz her weltweit grössten Pharmakonzerne (mit zusammen einem Umsatz von 453 Milliarden Dollar) laut der Studie des Centre Info für das Marketing 121 Milliarden. Nicht die Entwicklung steht also im Mittelpunkt, sondern die Verkaufsförderung.

Patente auf alles, was lebt?

Verlassen wir nun den Pfad der Scheinmedikamente und nutzlosen Tierversuchsverursacher.
Zuständig in Europa für die Zulassung von Patenten ist das EPA, das Europäische Patentamt.
Bisher hat das EPA über 700 Patente für gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere zugelassen. Diese mehr als krankhafte Entwicklung steht immer wieder im Kreuzfeuer von Tierversuchsgegnern sowie generell von Gegnern der Gentechnologie.

Viele Saatgutarten sind (oft genetisch manipuliert) bereits patentiert und können nur noch über Agrarkonzerne gekauft werden. Selbstredend wird das Saatgut genetisch so weit verändert, damit aus der Ernte kaum mehr Saatgut zu gewinnen ist. Die Bauern müssen deshalb das Saatgut jedes Jahr neu kaufen.
Nun könnte man doch einfach dieses Saatgut nicht kaufen. Doch für diesen Fall haben die Konzerne rechtzeitig vorgesorgt. Sie sind zum grössten Verkäufer von Saatgut aufgestiegen und es ist immer schwieriger, Saatgut aus anderen Quellen zu kaufen.

Zudem wird es generell immer schwieriger, genetisch verändertem Saatgut auszuweichen. Durch die natürlichen Verbreitungsmechanismen (Wind, Kleben an Insekten …) der Pflanzen verteilt sich das genetisch manipulierte Saatgut in grossen Kreisen. In Amerika hat man beim Genmais diesem Verteilweg mit flächendeckenden Flugzeugausstreuungen noch «nachgeholfen». Da diese unnatürlichen Pflanzen meist resistenter gezüchtet werden als natürliche Pflanzen von Hause aus sind, verdrängt das manipulierte Saatgut das natürliche Saatgut immer mehr.
Doch was dann, wenn sich doch plötzlich ein Schlupfloch finden würde, wo sich die Grosskonzerne nicht bereichern könnten?
Was, wenn sich plötzlich ganze Länder gegen die Auslöschung von natürlich gewachsenen und gezüchteten Pflanzen und Tieren wehren würden?

Die Endphase der totalen Ausbeutung beginnt – Der Präzedenzfall Brokkoli

Was immer mehr zunimmt, sind Patente auf konventionelle Züchtungen von Pflanzen und Tieren. Die Agrarkonzerne wollen damit die natürlichen Ressourcen der Erde unter ihre Kontrolle bringen. Bereits wurden mehrere Hundert Patente angemeldet, einige davon auch bewilligt. Es gibt zum Beispiel Patente auf glutenarmen Weizen, eine «spezielle» Züchtung von Kühen oder blattlausresistente Astern. Im Weiteren steht das Patent von Monsanto auf «schneller wachsende» Schweine kurz vor der Bewilligung, ebenfalls mehrere Patente von Syngenta auf grosse Teile des Reis-Erbgutes.

In diesem Jahr wird das Europäische Patentamt (EPA) grundsätzlich entscheiden, ob es in Zukunft Grenzen für die Patentierbarkeit geben wird.

2002 gewährte das EPA der britischen Firma Plant Bioscience ein Patent auf konventionell gezüchteten Brokkoli. Dies umfasst die Züchtungsmethoden, die daraus gewonnenen Brokkolisamen sowie das Endprodukt, den Brokkoli selbst.
Mitbewerber, die dieses Patent wohl selbst gerne besitzen würden, haben gegen diesen Entscheid Beschwerde eingereicht. Dieses Jahr wird die grosse Beschwerdekammer des EPA endgültig über dieses Patent entscheiden.

Das Besondere an diesem Fall ist, dass es sich nicht um eine gentechnisch veränderte Brokkolisorte handelt und sogar die essbaren Teile dieser Brokkolisorte mitpatentiert sind.

Diese Entscheidung wird dann Einfluss auf alle anderen vergleichbaren Patentanmeldungen haben. Konkret: Sollte dieses Patent gewährt werden, werden in Zukunft alle konventionellen Züchtungen patentierbar sein. Viele Hundert hängender Bewilligungen auf Pflanzen und Tiere, die ohne Gentechnologie gezüchtet wurden, müssten bewilligt werden.
Bauern und Bäuerinnen werden für die seit Hunderten, teils Tausenden von Jahren traditionell angebauten Pflanzen, Früchte und Gemüse Patentgebühren bezahlen müssen. Auch keine Tierart wird von diesen Patenten verschont bleiben.
Kein mögliches, sondern ein wirkliches Szenario: Ärmere Staaten, die die horrenden Patentgebühren für die «schon immer» selbst angebauten Grundnahrungsmittel nicht bezahlen könnten, würden zur Aufgabe ihrer Landwirtschaft gezwungen. Deren Bevölkerung zum patentierten Hungertod verurteilt.

Der Widerstand gegen die totale Ausschlachtung des Planeten


Organisation: No-Patents-On-Seeds

In dem Bündnis «No Patents on Seeds» haben sich weltweit über 170 Organisationen (darunter auch die AG STG) zusammengeschlossen, um Druck auf das EPA auszuüben. Am 13. Dezember 2007 wurde dem EPA in München ein globaler Aufruf gegen Patente auf Saatgut überreicht. In der Schweiz wird die Kampagne von Swissaid und der Erklärung von Bern organisiert. Tina Goethe von Swissaid dazu, weshalb die Kampagne unbedingt unterstützt werden sollte: «Wir befürchten eine globale Abhängigkeit von Agro-Konzernen, die mithilfe von Patenten die gesamte Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft kontrollieren, vom Saatgut bis zum Brot, vom Backgetreide bis zur Energiepflanze.»

Weitere Informationen finden Sie unter: http://www.no-patents-on-seeds.org/
Dort gibt es eine Petition für Organisationen sowie für Privatpersonen.
Unterstützen Sie dieses Projekt mit Ihrer Unterschrift. Vielen Dank!

Andreas Item