
Rede von Andreas Item, Geschäftsführer der AG STG für den Aktionstag und die Demonstration gegen Tierversuche vom 18.4.2009 in Tübingen
Liebe Tierversuchsgegnerinnen und Tierversuchsgegner
Die Schweizer Alpen in aller Frühe hinter uns gelassen, sind wir heute hier, um zusammen mit euch für die Abschaffung der Tierversuche zu demonstrieren. Zusammen gegen Tierversuche! Dies darf, wenn wir im Kampf gegen Tierversuche erfolgreich agieren wollen, keine leere Worthülse sein. Wir freuen uns, dass wir für heute eingeladen wurden und dass ein wesentlicher Teil der deutschsprachigen Tierversuchsgegner heute gegen die Affenversuche an der Tübinger Universität auftritt. Und wir danken euch, insbesondere den Ärzten gegen Tierversuche, für die gute und fruchtbare Zusammenarbeit.Die Schweiz ist ein kleines Land und genauso verhält es sich leider auch mit der Widerstandsbewegung. Nicht allzu viele lassen sich finden, die bereit für ein aktives Engagement, nennen wir es mal für eine bessere Welt, sind. Doch die Zeiten waren auch schon anders – und die Zeiten sollen auch wieder anders werden.
So klein die Schweiz auch ist, sind bei uns neben dem weltweit grössten Nahrungsmittelkonzern, neben einigen der grössten Banken, zumindest heute sind sie das noch, mit Novartis und Roche auch zwei der acht grössten Pharmakonzerne der Welt. Auch sind bei uns in der Schweiz einige sehr einflussreiche Universitäten.
Die Schweiz rühmt sich gerne des starken Rückgangs von Tierversuchen. 1983 noch waren es 2 Millionen Tierversuche – 2007 waren es noch 700 000. Hat die Schweiz also im Gegensatz zu anderen Ländern grosse Fortschritte gemacht?
Ganz so schön, wie die Zahlen es verheissen, sieht der Erfolg leider nicht aus. Der Rückgang der Tierversuche in der Schweiz ist fast ausschliesslich auf den Pharmakanton Basel zurückzuführen. In diesem Kanton hat die Anzahl der Tierversuche seit 1983 um über 1,3 Millionen abgenommen.
Nun wird manchmal eingewendet, dass viele dieser Tierversuche ins Ausland verlagert wurden. Das stimmt sicher zu einem Teil, aber nur zu einem geringen Teil. Ein nicht unwesentlicher Teil für diesen Rückgang von Tierversuchen in der chemisch-pharmazeutischen Industrie ist dem Widerstand der Tierversuchsgegner zu verdanken. Noch in den 70er-Jahren wurde meistens plan- und konzeptlos einfach alles an allem getestet. Das Verbrauchsmaterial Tier war in scheinbar uneingeschränktem Masse zur Verfügung und es gab kaum Gesetze, die den Einsatz von Tierversuchen regelten. Als sich diese Missstände immer weniger verbergen liessen, wurden die Kritiken an der Methode Tierversuch immer lauter und immer mehr Menschen schlossen sich zusammen, um lautstark gegen Tierversuche zu demonstrieren. In dieser Zeit wurde auch die AG STG gegründet, die sich von Anfang an für die totale Abschaffung aller Tierversuche einsetzt.

Aktionstag und Demonstration für die Abschaffung aller Tierversuche» vom 18. April 2009 in Tübingen
Die Proteste der Tierversuchsgegner zwangen die Industrie, sich für die von ihr durchgeführten Tierversuche zu rechtfertigen und sich ernsthaft mit der Entwicklung innovativer, tierversuchsfreier Testmethoden zu befassen. Diese neu entwickelten, innovativen, tierversuchsfreien Testverfahren haben dann zu einem grossen Teil zum Rückgang der Tierversuche geführt.
Somit hat der Widerstand der Tierversuchsgegner einen wesentlichen Teil zum Rückgang der Tierversuche in der Schweiz beigetragen. 1,3 Millionen Tierversuche weniger – alleine in Basel, dem Sitz von Novartis und Roche – das ist ein Achtungserfolg.
Doch dabei ist im Schatten der chemisch-pharmazeutischen Industrie der Tierverbrauch an den Universitäten und Hochschulen immer mehr gestiegen. Alleine seit dem Jahrtausendwechsel haben die Tierversuche in der Schweiz um 28% zugenommen – dies zum grössten Teil in den Folterkammern der Universitäten.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will hier beileibe kein Loblied auf die chemisch-pharmazeutische Industrie singen. Aber lassen Sie mich Ihnen zwei Zahlen betreffend Universitäten kurz vor Augen führen.
Von den heute über 250 000 an Schweizer Universitäten und Hochschulen durchgeführten Tierversuchen sind nur 4200 (!), also 1,68%, für die Entdeckung, Entwicklung und Qualitätskontrolle von Arzneimitteln. Und ebenfalls sind von diesen 250 000 Tierversuchen nur 219 (!), also 0,09%, von Gesetzes wegen vorgeschrieben.
An Universitäten werden also kaum bis keine Tierversuche durchgeführt, die irgendwie einen medizinisch relevanten Nutzen haben, geschweige denn Tierversuche, die aus gesetzlichen Gründen durchgeführt werden müssen.
Diese Zahlen, die in der Schweizer Tierversuchsstatistik festgehalten sind, entkräften alleine für sich bereits viele Argumente der universitären Tierversuchslobby.
An Universitäten wird hingegen zum grössten Teil sogenannte Grundlagenforschung betrieben. Dies, so die Worte von Universitätsprofessoren selbst, ist eine Forschung ohne konkretes Ziel und ohne absehbaren Nutzen.
Diese Tierversuche zu bekämpfen, ist um einiges schwieriger, denn:
Wie soll man tierversuchsfreie, innovative Testmethoden als Ersatz fordern? Wie soll man eine Ersatzmethode für etwas, was ohne Forschungsziel durchgeführt wird, finden können?
Zudem haben Universitäten praktisch einen Freipass betreffend Tierversuche. Sie werden nicht gefragt, was denn aus ihren grausamen Experimenten für ein Nutzen resultieren würde. Würden sie es gefragt, so müssten sie ja antworten, dass sie es selbst nicht wissen.
Grundlagenforschung dient praktisch ausschliesslich einem Selbstzweck. Sei dies nun für das Sichern von staatlichen Forschungsgeldern, sei dies für das Sichern eines Patents für einen vermutlich nie benötigten Zweck oder sei dies, um auf einfachstem Weg auf der Karriereleiter eine Stufe höher zu klettern.
Solche Begründungen kann man natürlich nicht in einem Tierversuchsgesuch angeben.
Deshalb, wen wundert es, wird in den Anträgen für Tierversuche selten ein wirklicher Zweck angegeben.
Liebe Tierversuchsgegnerinnen und Tierversuchsgegner

Andreas Item - Rede bei «Aktionstag und
Demonstration für die Abschaffung aller
Tierversuche» vom 18. April 2009 in
Tübingen
Demonstration für die Abschaffung aller
Tierversuche» vom 18. April 2009 in
Tübingen
Die Versuche wurden nicht wegen wissenschaftlicher Kritik gestoppt, sondern weil die Tiere mit Wasserentzug zum Mitmachen gezwungen wurden. Aber immerhin: Dies gilt als die Schweizer Geburtsstunde der Würde des Tieres. Auch dies darf als kleiner Erfolg gewertet werden.
Die Hochschulen kämpfen nun seit 3 Jahren gerichtlich für die Wiederaufnahme dieser Versuche. In den kommenden Monaten wird die endgültige Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts erwartet.
Besonders interessant an diesen Fällen ist, dass die Hochschulen auf diese Versuche, die sie ohne die Foltermethode Wasserentzug durchführen dürften, seitdem verzichten.
Wie war das doch gleich noch mit dem Argument der freiwilligen Kooperation der Affen? Sie machen doch gerne mit, sie lieben die Abwechslung und die ihnen gestellten Aufgaben.
Oder etwa doch nicht? Sind sie doch nur mit der Foltermethode Wasserentzug zur Mitarbeit zu zwingen?
Diese Frage beantwortet sich, nicht nur mit diesen Beispielen, wohl von selbst.
Im Januar 2009 nun wachte wieder eine Tierversuchskommission aus ihrem Tiefschlaf auf. Diesmal war es die von Fribourg, nicht zu verwechseln mit eurem Freiburg.
Dort ist Prof. Eric Rouiller seit über 10 Jahren dabei, mit der Durchtrennung des Rückenmarks von Makaken erfolglos Tiere zu foltern und Steuermillionen zu verschwenden.
Ich erinnere mich besonders an einen Bericht über seine Affenversuche, der vor zwei Jahren in einer Schweizer Tageszeitung veröffentlicht wurde. Seine Versuchsaffen, sie heissen u.a. Max, Moritz und Milo, wurden in dem Bericht vorgestellt und es wurde beschrieben, wie sie das Leben in seinem Versuchslabor geniessen würden. Besonders betont wurde in dem Bericht immer wieder die Kooperationsbereitschaft der Affen, ja dass sie es jeden Tag kaum erwarten könnten, an den Versuchen teilnehmen zu dürfen.
Prof. Eric Rouillers Versuche dauern momentan immer noch an, doch auch seine Versuche gelangten nun infolge der Foltermethode Wasserentzug in Konflikt mit dem Tierschutzgesetz – in Konflikt mit der Würde der Tiere.
Ich muss mich nicht fragen, ob Wasserentzug mit freiwilliger Kooperation zu vereinbaren ist. Jedoch aus der Sicht eines sadistischen, kranken Gehirns scheint dies offensichtlich der Fall zu sein.
Und wo bleiben denn eigentlich die vielen Erfolge durch die grausamen Affenversuche?
Die chronische Erfolglosigkeit von Tierversuchen spielt uns Tierversuchsgegnern in die Hand. Würden tatsächlich nennenswerte Erfolge aus dieser Forschung resultieren, wäre es schwieriger, dagegen anzukämpfen. Da die Erfolge aber ausbleiben, wurde in den letzten Jahren nicht nur in der Schweiz, sondern auch in immer mehr Ländern, die Kritik an Affenversuchen immer lauter. Teilweise wurden sie bereits auch schon verboten.
Dies ist ein weiterer kleiner Schritt in Richtung der Abschaffung aller Tierversuche.
Wir alle kennen die schrecklichen Bilder aus Tierversuchslaboren wie Covance, Huntingdon Life Science und Harlan, und wir alle werden durch den massiven Manipulationsapparat der Tierversuchslobby immer wieder übertönt. Doch vergessen wir dabei nicht die Erfolge, die wir gemeinsam bereits erreicht haben. Dies bedeutet kein Ausruhen – denn es liegt noch ein langer, steiniger Weg vor uns. Aber diese Erfolge, so klein sie manchmal auch scheinen mögen, motivieren mich weiterzukämpfen. Wir müssen noch mehr Kräfte mobilisieren, um auch weiterhin gegen Tierversuche anzukämpfen, ja um den Kampf noch mehr zu verstärken. Und wir müssen dies gemeinsam tun. Das sind wir den Tieren schuldig.
Für die Abschaffung aller Tierversuche!

Kurzbericht und Fotos zum Aktionstag und der Demonstration gegen Tierversuche vom 18. April 2009 in Tübingen finden sie hier: Aktionstag und Demonstration gegen Tierversuche in Tübingen 2009