Standpunkt
Wir alle wissen, dass Tiere, genau wie wir, Freude, Liebe, Angst und Leiden empfinden. Trotzdem werden diese Geschöpfe in der Vivisektion von Menschen «aufs Rad geflochten», in «Handschellen» gelegt und in enge Gefängnisse gepfercht. Den Hunden werden die Stimmbänder durchtrennt, damit man sie nicht schreien hört. Die Tiere können sich nicht wehren, und sie können nicht das Wort zu ihrer Verteidigung ergreifen. Wenn aber beim «Jüngsten Gericht» eines dieser Tiere sitzt, dann wird es für die Menschheit kritisch.So oder so: Es ist der Tierschützer Pflicht, als ihre Stellvertreter zu wirken und sich denjenigen, die «Bruder Tier» aus materiellen Interessen ausnützen, foltern und vivisezieren, zu widersetzen.
Tierversuche sind – wie die quälerische Massentierhaltung – eine Kulturschande. Tiere sind keine gefühllose Ware, sondern empfindsame Wesen. Kein Mensch besitzt das Recht, ihnen Leid, Schmerz oder Qual zuzufügen.
Was macht denn die Würde des Menschen aus, die ihn über die Tiere erhebt? Was macht ihn zum Herrn der Schöpfung? Nach Prof. Spaemann aus Wien seine Fähigkeit, Dinge zu unterlassen, weil sie niedrig, widerwärtig und gemein sind, obwohl er sie ungestraft tun kann; und auch seine Fähigkeit, für andere Lebewesen eine Fürsorgepflicht zu übernehmen. Ebenfalls seine Fähigkeit, das Schwache zu schützen.
Tiere sind schwach. Wer sie quält, wird nie befürchten müssen, dass ihnen ein Rächer ersteht, der den Spiess umdreht. Die Tiere werden nie als Kläger auftreten, nie als Richter (es sei denn beim Jüngsten Gericht) und auch nie als Wähler (sonst würden viele meiner ehemaligen Kollegen hinter «schwedischen Gardinen» vegetieren).
Es ist die Meinung der in Europa weit vernetzten Organisation «Ärzte gegen Tierversuche», dass Tierversuche vor allem aus persönlichen, geschäftlichen und publizistischen Gründen durchgeführt werden und dass sie keine sicheren Rückschlüsse auf den Menschen zulassen.
Wie irreführend und gefährlich das blinde Vertrauen in die Ergebnisse von Tierversuchen sein kann, beweisen uns die zahlreichen Arzneimittelschädigungen der letzten Jahrzehnte (Contergan etc.) und die vielen «Heilmittel», die laufend aus dem Verkehr gezogen werden. Dabei handelt es sich um Medikamente, die oft viele Jahre lang an Patienten abgegeben wurden und nicht selten zum Tode führten. Die Dunkelziffer der an Arzneimittelschäden erkrankten Personen ist hoch. Tierversuche haben vielfach Alibifunktion. Sie schützen in erster Linie den Hersteller von Produkten und nicht den Verbraucher. Immer mehr Tierversuche werden durchgeführt, um Haftpflichtprozessen vorzubeugen. Wenn etwas passieren sollte, kann man sagen: «Wir haben das Produkt im Tierversuch geprüft und soundso viele Tiere geopfert und haben nichts Gefährliches gefunden.» Aber: Der Tierversuch bringt gerade das nicht, was man von ihm erwartet, nämlich Sicherheit für die Anwendung am Menschen.
Das Tier als Experimentiermodell für den Menschen zu benutzen, ist ein willkürlicher Akt und völlig unwissenschaftlich. Deshalb gehen die Methoden, die von diesen Modellen abgeleitet werden, von vorneherein von einer falschen Voraussetzung aus. Eine falsche Grundlage aber führt unweigerlich zu falschen Ergebnissen.
Der Mensch ist auf dem besten Weg, die Schöpfung zu zerstören, weil er eine Ordnung geschaffen hat, die nicht mehr in der Natur eingebettet ist. Er hat sich ausserhalb dieser gestellt und glaubt die Luft verpesten, die Gewässer verschmutzen, die Tiere ausrotten, den Boden vergiften, den Wald zerstören und das Essen chemisieren zu dürfen. In seiner Verblendung stellt er auch für Jahrtausende giftigen radioaktiven Abfall her, mit dem er uns und alle kommenden Generationen zu Wachhunden degradiert. Und als Krone seines selbstzerstörerischen Tuns glaubt er, die wehrlosen Tiere ausbeuten, foltern, einpferchen und vivisezieren zu dürfen. Zur Vivisektion sagt einer der weisesten, friedfertigsten Menschen der Neuzeit, Mahatma Gandhi: «Es ist das schwärzeste Verbrechen, dessen sich der Mensch schuldig macht.»
Hansjürg Weder, Ex-Nationalrat aus Basel
im Oktober 2009