Korrupte Medizin - Wie die Pharmabranche Ärzte korrumpiert
Die in jüngster Zeit grösste Pharma-Marketingkampagne sorgt für gigantische Umsätze – auch heute noch. Die Schweinegrippe-Hysterie zeigte uns die grosse Macht des Pharmakartells. Die WHO, Regierungen, Gesundheitsministerien, Ämter, Wissenschaftsmagazine, Experten, Meinungsmacher, Journalisten und nicht zuletzt Ärzte – an allen wichtigen Schalthebeln waren genügend Leute manipuliert oder korrumpiert worden. Wo Naivität oder Angst nicht ausreichten, da wurde mit viel Geld nachgeholfen.Es war so perfekt und so einfach – und somit so beängstigend. Sie war mehr als Oscar-würdig, diese Demonstration der Königsdisziplin Marketing. Was ist eigentlich Marketing (in der heutigen Zeit)? Laut Wikipedia: «Aufgabe des Marketings ist es, durch die Befriedigung der Bedürfnisse und Wünsche des Konsumenten Gewinne zu erwirtschaften, indem die richtigen Güter zum richtigen Preis auf dem richtigen Markt mit den richtigen Absatzförderungsmassnahmen plaziert werden.» Klingt ein bisschen verworren, ist aber soweit korrekt. Nur: Diese Form des Marketings ist praktisch ausgestorben. Die wirklichen Bedürfnisse und Wünsche von Konsumenten interessieren kaum mehr.
Heutzutage wird Marketing anders aufgegleist. Es beginnt immer mit dem Gedanken der Gewinnmaximierung. Danach werden (z.B. im Pharmabereich) regelrecht Krankheiten erfunden, Angst-Märkte geschaffen, Grenzwerte zwischen gesund und krank zugunsten des Pharmamarkts verschoben (damit viel mehr Menschen als krank gelten) und vieles mehr.
Beispiel Cholesterin: Aus Gesunden werden Kranke gemacht
Durch Verschieben der Grenzwerte (hier beispielsweise beim Blutdruckmessen), wurden von einem Tag zum nächsten Hunderttausende neuer «Kranker» generiert
Wir wollen an dieser Stelle nicht den Nutzen von Cholesterinsenkern in Frage stellen – aber kann eine «Krankheit» so verbreitet sein, dass bald die Hälfte der Menschen «ihr Leben lang» Medikamente dagegen einnehmen muss?
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft
Marketing war ursprünglich in erster Linie Werbung. Nun aber ist direkte Werbung für Arzneimittel zum Glück (noch) verboten. Das Pharma-Marketing wurde somit zu besonderer Kreativität herausgefordert. Beworben werden nicht Medikamente, sondern Krankheiten. Und beworben werden vor allem Meinungsmacher, wissenschaftliche Magazine, Ärzte und immer öfter auch Behörden. Diese Entwicklung hat in den letzten Jahren massiv zugenommen.Noch vor einigen Jahren konzentrierten sich die Pharmakonzerne hauptsächlich auf die Ärzte. Diese bekommen regelmässig Besuch von den sogenannten Pharmareferenten, die (nach einer kurzen Anlehre) auf die Ärzte losgelassen werden. In der Schweiz sind schätzungsweise 1000 bis 4000 Pharmareferenten unterwegs, die Ärzte vom «neusten klinischen Wissen» und von den «aktuell besten» Medikamenten überzeugen sollen. Dabei überfluten sie die Ärzte mit massenhaft Gratisproben und Werbematerial. Anhand einer Untersuchung wurde festgestellt, dass 95% aller Ärzte ihre Informationen praktisch ausschliesslich von der Pharmaindustrie beziehen.
Selbstverständlich gehört zu einer guten «Überzeugungsarbeit» auch das passende Präsent. Die Pharmareferenten verteilten grosszügig Flachbildfernseher, Luxusuhren, Urlaubsreisen und vieles mehr, je nach Grösse der Praxis und somit der Anzahl der potentiellen Kunden.
Als diese Methoden vollkommen überbordeten und somit vor der Öffentlichkeit kaum mehr verborgen werden konnten, mussten die Pharmakonzerne wieder über die Bücher.
Die «kleinen Aufmerksamkeiten» haben dann neue Namen erhalten. Urlaubsreisen wurden zum Beispiel zu Fachkongressen. An diesen wird dann ein paar Stunden über Medikamente referiert – der Rest des Wochenprogramms bleibt Wellness und Party.
Beispiel: Grillparty und Freizeitvergnügen bei der wissenschaftlichen Tagung
Das Rahmenprogramm bei wissenschaftlichen Tagungen lässt meistens keine Wünsche offen
70 000 Franken? Wie abschreckend! Das hat Novartis sicher beeindruckt (70 000 ist weniger, als Novartis-Chef Daniel Vasella pro Tag verdient). Dem gegenüber steht ein Riesengewinn für Novartis, den ihr die Ärzte nach diesem Kongress durch fleissiges Bewerben und Verschreiben von Novartis-Medikamenten einbrachte.
Dies ist nur ein Beispiel von vielen aus dem Kapitel «Pharma kauft Ärzte».
Sind alle Ärzte korrupt?Natürlich nicht. Es gibt zum Glück viele pflichtbewusste Ärzte, bei denen das Wohl der Patienten klar an erster Stelle steht. Sehr viele Ärzte befinden sich auch «in der Mitte». Sie widerstehen zumindest den Verlockungen der Pharmalobby, die den Patienten klar mehr schaden als nützen. Und es gibt auch Ärzte, die sich gegen den Einfluss der Pharmalobby aktiv wehren. Verschiedene Ärzteorganisationen wie zum Beispiel MEZIS («Mein Essen zahl ich selbst»; zu finden unter: http://www.mezis.de/) engagieren sich für die Unabhängigkeit der Ärzte. |
Anwendungsbeobachtungen – legales Schmiergeld?
Durch Anwendungsbeobachtungen (AWB) wird oft einfach nur die Verschreibung teurerer Medikamente gefördert ...
Die deutsche Kassenärztliche Bundesvereinigung stellte vor kurzem die Ergebnisse einer Studie über die Wissenschaftlichkeit von AWBs vor. Sie kam zum Schluss, dass der klar überwiegende Teil der AWBs als Marketinginstrument missbraucht wird. Bei rund 67% der ABWs sind weder Forschungsziele noch Studienpläne vorhanden. Ausserdem fand sich nur in 19% aller AWB-Studien ein Hinweis auf eine möglicherweise geplante Veröffentlichung. Was passiert also mit den AWBs? Sie landen meistens schlicht im Papierkorb.
Weshalb wird denn dieser Aufwand für AWBs betrieben?
... was die Krankenkassen geschätzte mehrere hundert Millionen pro Jahr kostet. Und die Pharmakonzerne erfreuen sich an den massiv steigenden Umsätzen
Für den Magensäureblocker Nexium (dieses Medikament ist in der Schweiz das zweitmeistverkaufte Medikament – Stand 2007) hatte der Hersteller AstraZeneca in Deutschland im Rahmen einer Anwendungsbeobachtung mehr als 30 000 Ärzte unter Vertrag genommen. «Jeder vierte niedergelassene Arzt hat wohl von dieser AWB profitiert», schrieb das Magazin «Stern» im Januar 2007, «allein im vergangenen Jahr stieg der Umsatz mit Nexium bei AstraZenaca um 23 Prozent.»
Und weshalb machen die Ärzte bei AWBs mit?
Ein Arzt bekommt für die Teilnahme an solchen Studien zwischen 70 und, wie im Fall eines sehr teuren Krebsmedikaments von Novartis, über 1000 Franken pro Patient! Somit kann ein «fleissiger» Arzt sein Einkommen massiv verbessern. Nach Einschätzung von Prof. Lauterbach (MdB, SPD) können Ärzte damit jährlich leicht bis zu 40 000 Franken zusätzlich verdienen.Beispiel: Umsatzsteigerung dank Anwendungsbeobachtung
Laut einer in Auftrag gegebenen Marktstudie verkaufte Novartis im September 2006 12% weniger von den Bluthochdruck-Medikamenten Diovan und Codiovan als im September 2005. Novartis reagierte sofort und startete eine Anwendungsbeobachtung mit 35 000 Patienten. Jeder Arzt erhielt pro «neu generierten» Patienten eine Prämie von etwa 70 Franken. In einem firmeninternen Protokoll, das den Weg in die Öffentlichkeit fand, lautete die Überschrift: «Marktführerschaft: Mehr Patienten durch AWBs». Der deutsche Novartis-Chef Peter Maag betonte in einer Mitteilung an seine Mitarbeiter die Wichtigkeit der in diesem Papier beschriebenen Marketing-Massnahmen damit, «um angesichts einer negativen Marktentwicklung den aktuellen Trend noch in diesem Jahr umzukehren».Und sollte nun trotzdem noch die Frage nach einem Nutzen dieser Studie für Patienten aufkommen, dazu der Bremer Pharmakologe Professor Peter Schönhöfer gegenüber «Stern»: «Der Wirkstoff von Diovan und Codiovan wurde bereits 1996 eingeführt. Diese Mittel sind längst erprobt. Dafür braucht man keine Anwendungsbeobachtungen mehr. Das ist Kauf von Verordnungen.»
Schlussbemerkung und Forderungen
Dies ist nur ein weiterer kleiner Einblick (siehe auch Beitrag «Illegale Machenschaften des Pharma-Kartells» im Albatros Nr. 27) in den unüberschaubaren Korruptionssumpf im Gesundheitswesen. Vieles fand auch in diesem Artikel kein Platz. Wir werden deshalb in den nächsten Albatros-Ausgaben mit dieser Serie fortfahren und noch weitere Schattenseiten der Gesundheitsmafia aufzeigen.Konkret müsste unter anderem Folgendes umgesetzt werden:
- Anwendungsbeobachtungen (AWB) müssten wissenschaftlich begründet werden und klar definierte Ziele beinhalten. Auch müsste es eine gesetzliche Pflicht zur Veröffentlichung geben.
- Versuchsprotokolle von Anwendungsbeobachtungen müssten im Vorfeld sowie nach Abschluss der Studie von einer unabhängigen staatlichen Behörde überprüft und ausgewertet werden. Diese Behörde muss auch das Recht haben, eine Studie begründet abzulehnen.
- Ein absolutes Werbeverbot für Medikamente, sowie für die angebliche Heilung von Krankheiten, ist erforderlich. Der Arzt ist und soll der Fachmann sein, der unabhängig von der Pharmabranche, in Absprache mit dem Patienten über die bestmögliche Therapie entscheidet.
- Eine Änderung der Rechtslage betreffend Korruption ist erforderlich. Korruption ausserhalb des Behördenstatus darf nicht weiter als «Kavaliersdelikt» behandelt werden. Geschenke der Pharma an Ärzte müssen vollständig verboten werden.
- Ebenfalls muss die Abgabe von Medikamentenmustern an Ärzte verboten werden. Denn dies führt zur Beeinflussung von Verschreibungen und somit zur Verwendung von neuen, teureren und oft auch weniger sicheren Medikamenten.
Andreas Item
Weiterführende Informationen:
Der erste Teil der Serie «Korrupte Medizin» im Albatros Nr. 27:«Illegale Machenschaften des Pharma-Kartells»
Die ZDF-Dokumentation «Das Pharma-Kartell» können Sie unter folgendem Link ansehen (leider nur in Deutsch verfügbar):
http://www.agstg.ch/Videos/ZDF-Frontal-21-Das-Pharma-Kartell.html
Elsevier: Peter Mühlbauer: Elsevier-Skandal weitet sich aus, telepolis, 15. 5. 2009, online:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30336/1.html
CNN-Bericht: Feds found Pfizer too big to nail:
http://edition.cnn.com/2010/HEALTH/04/02/pfizer.bextra/index.html?hpt=T2
Weitere Links über korrupte Machenschaften in der Medizin finden Sie unter:
http://www.vegetarismus.ch/heft/2009-2/pharmaindustrie.htm