Darf man Tierversuche als Tierquälerei und Massenverbrechen bezeichnen? – Teil 2
Wie wir im «Albatros» Nr. 27 berichteten (Link zum Artikel), reichte Novartis-Chef Daniel Vasella gegen VgT-Präsident Erwin Kessler eine Strafklage wegen Verleumdung ein. Dem VgT soll verboten werden, Tierversuche als Tierquälerei oder als Massenverbrechen zu bezeichnen. Auf Anfrage von Erwin Kessler für eine Unterstützung seiner Verteidigung verfasste Dr. med. Alexander Walz eine umfassende medizinisch-wissenschaftliche Stellungnahme über den angeblichen Nutzen von Tierversuchen. Danach reichte Erwin Kessler seine über 170 Seiten umfassende Klageerwiderung ein.
Die darauf folgende 49 Seiten umfassende Replik (Erwiderung des Klägers auf die Klageerwiderung des Beklagten) brachte keine neuen Fakten ein und führte wiederum keine Beweise an, weshalb Tierversuche notwendig sein sollen. Diesen unsachlichen und nichts aussagenden Bericht des Klägers zu kommentieren wäre verschwendete Zeit. Jedoch als Organisation, die sich für echten medizinischen Fortschritt und somit gegen Tierversuche einsetzt, ist es unsere Pflicht, auch die in diesem Bericht aufgeführten Behauptungen als unwahr und falsch zu widerlegen. Dies hat wiederum Dr. med. Alexander Walz für uns übernommen.
Leider fehlt uns auch diesmal die Möglichkeit, dieses Statement im «Albatros» vollständig abzudrucken. Im Folgenden veröffentlichen wir einige Auszüge, die jedoch nur einen kleinen Einblick in dieses Statement ermöglichen. Sie können das Statement hier durchlesen oder downloaden.
Statement der AG STG zur Vorlage beim Bezirksgericht Münchwilen
(4. 8. 2010) Vasella/Novartis - Kessler/VGT, in Ergänzung zur Stellungnahme vom 28. 1. 2010
Zum Vorwurf, es handele sich bei meiner Stellungnahme um ein reines Parteigutachten, welchem keinerlei Beweiswert zukäme:
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Bereits in den 80er Jahren wurde von der Firma Ciba-Geigy, aus der in der Fusion mit Sandoz schliesslich Novartis hervorgegangen ist, verkündet, der unmittelbare Durchbruch zum Besiegen von Krebserkrankungen stehe kurz bevor. Dieses Ziel sei bis 1990 erreicht. [1]
Bis heute jedoch sind die allermeisten Krebserkrankungen nicht heilbar, und die sehr teuren Therapien sind überwiegend mit schweren Nebenwirkungen verbunden. Und obwohl mit diesen Medikamenten die genau gleichen Krebserkrankungen zuvor in Tierversuchen geheilt werden konnten, erbringen die Medikamente bei Menschen statistisch gesehen gegenüber Placebo oft nur eine Lebenszeitverlängerung von wenigen Wochen.
Führende Krebsforscher wurden in meiner Stellungnahme zitiert, die aus diesen und weiteren Gründen auf den Unsinn von Tierversuchen hinweisen. Unter diesen ist auch ein Forscher von Sandoz, einem Tochterunternehmen von Novartis: Prof. Dr. H. Weidmann, seinerzeit Leiter der pharmakologischen Abteilung des Arzneimittelherstellers Sandoz, hatte festgestellt: «Die tierexperimentellen Resultate der Krebstests, der Missbildungstests und der Tests auf Schädigung der Erbmasse sind für den Menschen nicht massgebend. Die einzige Möglichkeit, teratogene, mutagene und karzinogene Wirkungen von neu eingeführten Substanzen zu ermitteln, ist eine intensive klinische Überwachung des Menschen. Toxische Reaktionen des menschlichen Immunsystems sind am Tiermodell nicht darzustellen!» [2]
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Trotz oder gerade wegen vorgeschriebener Tierversuche im Zulassungsverfahren von neuen Medikamenten sind schwerwiegende Medikamentennebenwirkungen die fünfthäufigste Todesursache in den USA. [3] Weitere erschreckende Zahlen kommen aus Schweden und England. Eine schwedische Studie hat gezeigt, dass jeder 20. hospitalisierte Patient an den Folgen von Medikamentennebenwirkungen stirbt. [4] Eine Untersuchung in England hat ergeben, dass jede 15. Spitaleinweisung aufgrund von Nebenwirkungen von Medikamenten erfolgt. [5]
Tierschutz ist somit in der Zwischenzeit auch zu Menschenschutz geworden, denn die unzuverlässigen Tierversuche täuschen eine falsche Sicherheit vor und werden für Menschen lebensgefährlich, wenn sie zur Entscheidungsgrundlage herangezogen werden. Zudem verhindern Tierversuche echte Innovationen.
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Zur Behauptung der gesetzlichen Vorschrift von Tierversuchen (bzw. zum Vorwurf der Tierquälerei)
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Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat auf ihrer Liste der unentbehrlichen Arzneimittel lediglich rund 300 Wirkstoffe aufgeführt. Alleine in der Schweiz sind über 6000 chemisch definierte Medikamente zugelassen und damit das Zwanzigfache dessen, was als unentbehrlich gelten darf. Diese Zahl der zugelassenen Wirkstoffe in der Schweiz stammt wiederum von der Tierversuchslobby selbst, von der von den Klägern gerne zitierten Interpharma. [15] Auf der zitierten Seite wird auch deutlich, dass die Zahl der von der Swissmedic zugelassenen Medikamente seit 1985 trotz aller Neuentwicklungen um 4000 abgesunken ist. Dies weil bereits ein Teil der nutzlosen und nebenwirkungsreichen bis hin zu tödlichen Medikamenten nachträglich wieder vom Markt genommen wurde, obwohl zuvor Tierversuche deren scheinbare Wirkung und Nebenwirkungsfreiheit suggeriert hatten.
Für all die 6000 Medikamente wurden jedoch Tierversuche durchgeführt, obwohl bei vielen Medikamenten von vornherein klar war, dass deren Entwicklung überflüssig ist. Sie wurden dennoch durchgeführt, weil damit Umsatz und Gewinn maximiert werden können. Berücksichtigt man alle Hersteller und Packungsgrössen, so sind z. B. allein 719 auf dem Markt erhältliche Präparate ACE-Hemmer oder Sartane. Unter den 719 Präparaten ist auch das von Novartis vertriebene Diovan, mit welchem alleine im Jahr 2009 ein Umsatz in Höhe von 6 Milliarden erzielt wurde und das somit der Topseller von Novartis ist. [16] Die Unterschiede zwischen diesen 719 einzelnen Präparaten sind marginal.
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Wenn nun also von 719 Präparaten in der endgültigen Konsequenz 718 verzichtbar wären, wurden 718-mal unnötige Tierversuche für die Zulassung durchgeführt. Dazu gehört neben dem eigentlichen Versuch auch beispielsweise die verstümmelnde Markierung der Tiere durch Amputation einzelner ihrer Zehenendglieder. Insofern kann die Klägerin nicht allen Ernstes behaupten, sie führe ausschliesslich medizinisch notwendige Tierversuche durch. Denn die Tierversuche für die 718 unnötigen Präparate werden ausschliesslich aus Gründen der Profitmaximierung durchgeführt, die man durchaus als Habgier bezeichnen kann, wenn dafür billigend Tierleid veranlasst wird.
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Zusammenfassung
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Dies ist die Zusammenfassung der Erkenntnisse vieler Arbeitsgruppen, Fachgesellschaften und Wissenschaftler. 2004 haben Professoren der Universitäten Bristol, Edinburg, London und New Haven in einer der drei weltweit renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften eine Analyse publiziert. In dieser gingen sie der Frage nach, ob es Belege dafür gebe, ob Tierversuche für Menschen einen Nutzen haben. Dazu verglichen sie die Ergebnisse von Tierversuchen mit den klinischen Untersuchungen an Menschen. Dabei haben sie einerseits aufgezeigt, dass die Ergebnisse oft ganz erheblich voneinander abweichen, und andererseits, dass zum Teil Menschen- und Tierversuche zu neuen Therapieverfahren parallel stattfanden – was den Unsinn von Tierversuchen noch mehr hervorhebt. Die Schlussfolgerung der Autoren: Um eine bessere medizinische Versorgung sicherzustellen, sollte eine Überprüfung der gängigen Praxis von vorgeschriebenen Tierversuchen höchst dringlich erfolgen. [24] Passiert ist seither nichts, und es ist damit höchste Zeit, dies zu tun.
Dr. med. Alexander Walz
Oberarzt, wissenschaftlicher und medizinischer Berater der AG STG
Weiterführende Links
Vollständiges Statement inkl. Quellenangaben: http://www.agstg.ch/downloads/diverses/2010-08-04_stellungnahme_ag-stg_prozess_vasella-gegen-kessler.pdf
Internetseite vom VgT/Erwin Kessler mit vielen Informationen zum Verfahren: http://vgt.ch/doc/vasella/index.htm
Prozess nach Eklat abgebrochen(25. 8. 2010) An der öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Bülach hatte das Gericht, ohne einen sachlichen Grund zu nennen, VgT-Präsident Erwin Kessler verweigert, im Rahmen seines Plädoyers ein Video der Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche zu zeigen. Erwin Kessler ermahnte daraufhin das Gericht und forderte, dass das Video gezeigt werden müsse. Er lasse sich vom Gericht nicht willkürlich vorschreiben, was er zu seiner Verteidigung vortragen dürfe und was nicht. Das Gericht verweigerte das Zeigen des Videos weiterhin.Da das Gericht somit sowohl seine Verteidigungsrechte wie auch das Öffentlichkeitsgebot verletzte, verliess Erwin Kessler unter Protest die Verhandlung. Das noch ausstehende Urteil ist somit wegen dieses Verfahrensmangels voraussichtlich im vornherein nichtig. Sobald sich etwas Neues ergibt, werden wir wieder berichten. |