Acht Streitfragen, beantwortet von Dr. med. Vernon Coleman (1. Teil)
Die Tierversuchsbefürworter – gleichgültig, ob sie aktiv oder passiv mitwirken – müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie zu den ideologischen Fanatikern gehören, denen jedes Mittel recht ist, um einen vermeintlichen wissenschaftlichen Fortschritt zu erzielen. Tatsächlich haben sie ein zwiespältiges Verhältnis zum Leben und zur Natur überhaupt.
Der englische Arzt Vernon Coleman hat in acht Streitfragen einige moralische und ethische Argumente aufgelistet, die eindeutig gegen Tierversuche sprechen. Eine weitere Argumentationshilfe für die Tierversuchsgegner im Gespräch mit den «Mitläufern» der Vivisektion, aber auch mit den Tierexperimentatoren selbst.
Anmerkung von Dr. med. Coleman: Wie die meisten modernen Tierversuchsgegner greife ich bei meiner Argumentation gegen Tierversuche bevorzugt auf wissenschaftliches und medizinisches Material zurück. Die moralischen und ethischen Argumente sind jedoch ebenfalls wichtig und sollten daher nicht vernachlässigt werden.
Moralische Streitfrage Nummer 1:
Sind Tiere lediglich als «Dinge» anzusehen, die dem Menschen beliebig zur Verfügung stehen?
René Descartes gilt als einer der grössten Denker in der Geschichte der Menschheit und war zweifellos eine der herausragendsten Gestalten des siebzehnten Jahrhunderts. Ganz frei von Schwächen und blinden Flecken war auch dieser grosse Mann jedoch nicht. Seine grösste Schwäche bestand wahrscheinlich in seiner Auffassung von Tieren. Da Tiere keine unsterbliche Seele besässen, sprach Descartes ihnen jegliches Bewusstsein, Verlangen, jegliche Gefühle oder Emotionen ab.
Mit der beneidenswerten Selbstsicherheit eines Menschen, der von unumstösslichen religiösen Vorurteilen geleitet und getrieben wird, erklärte Descartes, dass Tiere ebenso wenig unseren Respekt und unsere Achtung verdienten wie beispielsweise eine Uhr. Pferde seien, im Sinne des Menschen, ebenso wenig «lebendig» wie der Wagen, vor den sie gespannt werden.
Hätte Descartes nur ein wenig mehr Zeit mit der aufmerksamen Beobachtung seiner unmittelbaren Umgebung zugebracht und die Entschlüsselung der Geheimnisse des Universums kurzfristig ruhen lassen, hätte er sich vom Gegenteil überzeugen müssen. Hätte er über genügend gesunden Menschenverstand verfügt, um sich mit einem Kind über einen Hund, eine Katze oder einen Hasen als Haustier zu unterhalten, hätte er die Wahrheit erfahren: Obwohl wir keine genaue Vorstellung haben können, wie Tiere denken oder woran sie denken, kann es keinen Zweifel geben, dass sie ebenso denkfähig sind wie viele Menschen. Einfache Beobachtungen hätten Descartes gelehrt, dass Tiere Schmerzen empfinden und leiden, wenn sie krank sind, dass Tiere sich langweilen oder unglücklich und depressiv sein und durch Missbrauch schwere Verhaltensstörungen erleiden können.
Jedes Mitglied des Tierreichs weist arttypische Merkmale auf, doch bedeutet dies nicht, dass Katzen weniger lebendig als Franzosen sind oder Hunde weniger unser Mitgefühl verdienen als Kinder. Sogar Ratten, wohl die am meisten gehassten und am wenigsten geliebten Labortiere, sind wache, intelligente und gesellige Tiere. Ratten gehen Beziehungen untereinander und mit Menschen ein und verfallen in der Gefangenschaft rasch der Langeweile und Frustration.
Descartes hat es jedoch unterlassen, seine Umwelt zu beobachten oder sich mit Kindern über Haustiere zu unterhalten. Seine Theorien wurden rasch von einer Gesellschaft akzeptiert, die sich in der Erfindung von Theorien stets mehr auszeichnete als an deren Untermauerung mit Tatsachen. Descartes war ein mächtiges und einflussreiches Mitglied der akademischen Welt. Und was am allerwichtigsten war, seine Ansichten fügten sich in das Gedankengebäude der damaligen Gelehrtenwelt nahtlos ein.
In den darauffolgenden Jahren trat die cartesianische Logik ihren Siegeszug durch die Wissenschaften an, und es dauerte nicht lange, bis ein Wissenschaftler, der sich eine Katze von innen ansehen wollte, nur ein Versuchstier an ein Brett nageln und aufschneiden musste. Die Schmerzenslaute des gequälten Tieres konnte er so einfach wie das Quietschen einer rostigen Türangel abtun.
Es war also die simplizistische und zweifellos falsche Philosophie Descartes’, die der Entwicklung der modernen Vivisektion den Weg gebahnt hat.
Um die Auffassung zu festigen, Tiere als Gegenstände anstatt als empfindungsfähige Lebewesen zu betrachten, bedienen sich die meisten Wissenschaftler einer völlig unpersönlichen Sprache, wenn es um Tiere geht. Um ihre Aktivitäten zu beschreiben, verwenden sie eine eigenartige gefühllose Fachsprache. So werden Katzen zum Beispiel als «Präparationen» und das Heulen und Miauen der Tiere als «Vokalisierung» bezeichnet, während Phrasen wie «Ernährungsinsuffizienz» den Hungertod kaschieren. Eine Forschergruppe bediente sich der Wortschöpfung «binokularer Ausfall», um junge Hauskatzen zu beschreiben, deren Augenlicht durch entsprechende, absichtliche Eingriffe zerstört worden war. Wenn Experimente abgeschlossen werden, spricht man davon, dass die Tiere geopfert oder der Euthanasie zugeführt werden. Viele Forscher wollen schlicht nicht daran erinnert werden, dass sie in Wirklichkeit Tiermörder sind.
Moralische Streitfrage Nummer 2:
Welche Rechte haben Tiere?
Wissenschaftler, die nach einer etwas vereinfachten Sicht der Welt verfahren, argumentieren häufig damit, dass Tiere überhaupt keine Rechte besitzen. Wenn man diese Wissenschaftler in die Enge treibt, hört man die Erklärung, Tiere hätten keine andere Existenzberechtigung, als ausschliesslich dem Wohl und Nutzen des Menschen zu dienen. Ihr grösstes Zugeständnis besteht darin, dem Menschen die Verantwortung dafür aufzuerlegen, den Tieren unnötiges Leiden zu ersparen. Der Begriff «unnötig» lässt sich natürlich kaum zufriedenstellend definieren, und die Zahl der aktiven Forscher, die freiwillig zu Protokoll geben würden, ihre Versuchsanordnungen hätten «unnötiges» Leiden verursacht, dürfte verschwindend gering sein.
Wir hören hier dieselben elitären Redensarten, die an den üppigen Tafeln der englischen Sklavenhändler in der Zeit vor Wilberforce zu hören gewesen waren und die man auch heute noch an den reich beladenen Tischen der mit irdischen Reichtümern und tiefsitzenden Vorurteilen Gesegneten vernehmen kann.
Letztendlich sei der Mensch ja das Zentrum des Universums. Alles drehe sich mehr oder weniger um uns. Dem Menschen sei es gegeben, sich zum Herrscher über alle anderen Lebewesen und Lebensformen aufzuschwingen («Macht euch die Erde untertan»). Welche Rolle würden Tiere auf der Erde schon spielen, wenn es keine Menschen gäbe? Das Tierreich diene ausschliesslich der Versorgung des Menschen mit Nahrung und Kleidung, seinem Vergnügen und seiner Unterhaltung.
Diese arrogante, anthropozentrische Geisteshaltung wird auch als sogenannter «Speziesismus» bezeichnet und als grausame und gefühllose Sicht der Welt verurteilt. Dennoch sind diese Einstellungen weit verbreitet und weitgehend immun gegen logische und verstandesmässige Argumente. Der primitive Geist, der den Menschen als einzigen Sinn und Zweck der Schöpfung begreift, wird Manifestationen menschlicher Intelligenz wie Vernunft, Einsicht oder Demut wenig Gehör schenken.
Moralische Streitfrage Nummer 3:
Vivisektion ist nicht illegal, wie kann sie dann verwerflich sein?
Wieder und wieder betrübt mich die Tatsache, dass es auf unserer Welt noch immer Männer und Frauen gibt, die sich für vernünftig, für gebildet und für hinreichend intelligent halten und doch gleichzeitig ein Argument vorbringen, das derart von Engstirnigkeit, Egoismus und Unerbittlichkeit zeugt. Ich muss sagen, dass mich Müdigkeit und Verzweiflung überkommen, wenn ich dieses Argument höre.
«Es verstösst gegen das Gesetz, im Namen der Wissenschaft Menschen zu foltern und für ihr Leben zu verstümmeln. Das Gleiche mit Tieren zu tun ist dagegen nicht verboten – was sollte man also dagegen einwenden?»
Ich frage mich ernsthaft, wie jemand eine dermassen mechanische Einstellung zum Leben an den Tag legen kann.
Die Wahrheit ist, dass nicht alle rechtmässigen Handlungen automatisch moralisch vertretbar sind und nicht alle moralisch vertretbaren Handlungen automatisch rechtmässig. Noch vor wenigen Generationen genoss ein Schwarzer in Amerika eine ähnliche Rechtsstellung wie ein Maisfeld. Die Wahrheit ist, dass es einen himmelweiten Unterschied zwischen dem rechtmässig Akzeptablen und dem moralisch Akzeptablen gibt. Die meisten von uns sind sicherlich der Meinung, dass es unmoralisch ist, Kindern unnötig zu drohen oder ihnen Angst einzuflössen. Entsprechende im Familienkreis vorgenommene Handlungen sind jedoch selten illegal. Falschparken verstösst gegen das Gesetz. Heisst das, dass es unmoralisch ist? (...)
Es ist nicht weiter schwierig, an diesem oft vorgebrachten, doch flachen und bemerkenswert einfältigen Argument noch weitere Schwachstellen aufzudecken.
Stehen Tiere zum Beispiel ausserhalb des Gesetzes, weil sie keine Seele haben? Wenn ja, wer sagt uns denn eigentlich, dass sie keine Seele haben? Und wenn es tatsächlich stimmt, dass sie keine Seele haben (und ihnen damit ein Leben nach dem Tod abgesprochen wird), woher nehmen wir das Recht, über das eine Leben zu verfügen, das sie besitzen?
Was ist mit jenen, die an die Reinkarnation glauben? Ihrer Anschauung nach könnte ein Wissenschaftler, der eine Maus zerstückelt, damit einen ihrer Angehörigen vernichten. Ist ein solcher Glaube falsch? Ist er rechtlich oder moralisch irrelevant? Haben wir das Recht, über den Glauben unserer Nachbarn zu urteilen, nur weil das geschriebene Recht eine bestimmte Handlung nicht untersagt?
All diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten, und ich stelle sie lediglich, um klarzumachen, dass es eine zwingende Übereinstimmung zwischen rechtlich zulässigen und moralisch zulässigen Handlungen nicht geben kann.
Ein letztes Argument bringt jedoch meiner Ansicht nach klar und deutlich zum Ausdruck, dass es im Grossen und Ganzen gefährlich ist, wie so viele Vivisektoren zu argumentieren, dass eine dem Gesetz entsprechende Arbeit zwangsläufig auch moralisch und ethisch einwandfrei sein müsse.
Ein Forscher, der an einem Menschen Versuche durchführen möchte, muss zunächst dessen Zustimmung einholen. Ohne Zustimmung wäre jede Vivisektion an einem Menschen schlichtweg eine illegale Körperverletzung. Wie aber kann ein Forscher einen Affen nach dessen Zustimmung fragen, wenn er ein Experiment plant? Auch wenn dies schwer möglich ist, wissen wir doch, dass Affen sich untereinander verständigen und auch mit Menschen kommunizieren können. Mit welchem Recht geht also ein Forscher davon aus, dass der Affe ihm die Zustimmung gegeben hat oder dass es dieser Zustimmung erst gar nicht bedarf?
Mag ein Affe dem Gesetz nach auch kein menschliches Wesen sein und demnach über keinerlei gesetzlich verankerte Rechte verfügen, unter dem Gesichtspunkt der Moral betrachtet gibt es keine verbindlichen Richtlinien dafür, was richtig und was falsch ist.
Die Tatsache, dass Vivisektion legal ist, segnet sie noch längst nicht moralisch ab.
Moralische Streitfrage Nummer 4:
Der Mensch kann nach Belieben über Tiere verfügen, weil sie nicht denken, fühlen oder leiden können.
Ich habe bereits dargelegt, dass Tiere durchaus Schmerz empfinden und leiden können. So gilt es also nur noch zu widerlegen, dass sie nicht in der Lage seien zu denken.
Das obige Argument kam mir zum ersten Mal vor einigen Jahren in einer Fernsehsendung zu Ohren. Der Wissenschaftler im dunklen Anzug, von dem ich es hörte, trug sein Argument vor, als handele es sich um eine allgemein anerkannte Tatsache und als rechtfertige diese jede erdenkliche Art von Grausamkeit und Quälerei. «Tiere können nicht denken», sagte er freiheraus und blickte in die Runde, als könnte das seine Aussage bestätigen.
«Wie steht es denn mit Babys?» fragte ein junger Mann mit hellgrün gefärbtem Haar, dessen Nase und Ohren ein Bündel Sicherheitsnadeln schmückte. «Können die denn denken?» Er hielt inne und dachte einen Augenblick lang nach. «Und was ist mit geistig Behinderten, mit schwererziehbaren Kindern und mit Leuten, die an seniler Demenz leiden?»
Seine Fragen waren vollkommen berechtigt, und der Wissenschaftler wusste keine Antwort. Dass Tiere nicht denken können, wäre, selbst wenn dies der Wahrheit entsprechen würde, noch lange kein Freibrief dafür, Tiere ohne Respekt und Achtung zu behandeln.
Aber stimmt es denn überhaupt, dass Tiere nicht denken können? Gibt es einen einzigen vernünftigen Grund zu der Annahme, dass ein Affenbaby nicht fühlt, wenn es von seiner Mutter und Familie getrennt, in eine Trommel gesteckt und dort für mehrere Wochen hintereinander allein gelassen wird?
Haben wir irgendein Recht, davon auszugehen, dass Tiere dumm sind, nur weil sie nicht unsere Sprache sprechen? Das ist genau das Argument, das einst der schlimmste Typus des englischen Kolonialisten auf der Zunge hatte. «Die Eingeborenen hier können kein Englisch, also sind sie dumm», so liess er mit beneidenswerter Einfachheit vernehmen.
Die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen ist nicht so einfach. Zum Beispiel wird mir jeder, der einmal eine Katze hatte, zustimmen, dass es völlig abwegig ist zu behaupten, Katzen könnten nicht denken: Es sind auffallend intelligente und emotionale Lebewesen. Katzen können erstaunlich gut untereinander und auch mit Menschen kommunizieren. Dazu haben sie gar Geschicklichkeiten, mit denen wir offensichtlich nicht ausgestattet sind.
So weiss man zum Beispiel von vielen Katzen, die Hunderte von Kilometern zurückgelegt haben, um nach Hause zu finden. Katzen, deren Besitzer gestorben sind, überqueren Autobahnen, durchqueren Flüsse, passieren Eisenbahnschienen und legen auf diese Weise enorme Strecken zurück, um mit Menschen zusammensein zu können, zu denen sie Zuneigung gefasst haben. Ohne Landkarte und Kompass können Katzen mit verblüffendem Geschick lange, beschwerliche Wege bewältigen.
Wir wissen nicht wirklich, über welche Intelligenz andere Tiere verfügen, allerdings wissen wir ebenso wenig, wie unintelligent sie tatsächlich sind. Das einzige, was wir wirklich wissen, ist, dass es auf der ganzen weiten Welt keine Lebewesen gibt, die auch nur annähernd so grausam sind wie einige der Menschen, die in Forschungslabors arbeiten.
Einige Befürworter von Tierversuchen behaupten manchmal, dass wir Tierversuchsgegner Anthropomorphismus (Zusprechen von menschlichen Eigenschaften an andere Lebewesen, quasi Vermenschlichung) betrieben und uns grundlos um Wesen sorgten, deren Lebensformen und Lebensweisen wir gar nicht ganz verstehen können. Sie sagen, dass wir unsere Gefühle, Ängste und Hoffnungen auf die Tiere projizieren, mit denen sie ihre Versuche anstellen.
Wie immer strotzt das Argument vor Arroganz. Denn die Leute, die dieses Argument vorbringen, scheinen doch gerade damit auszudrücken, dass wir die Bedürfnisse und Rechte der Tiere überschätzen, während sie alles glasklar durchschauen würden.
Die Wahrheit liegt wie immer darin, dass die Klarsicht der Anhänger der Vivisektion durch ihre eigene Unfähigkeit, die Realität wahrzunehmen, getrübt wird. Selbst wenn es ihnen einmal gelingt, zumindest ansatzweise einen vernünftigen Gedankengang zustande zu bringen, haben sie sich noch immer als unfähig erwiesen, diesen Gedanken weiterzuführen und zu einer vernünftigen Schlussfolgerung zu gelangen.
Es ist vollkommen richtig, dass Tiere anders sind als Menschen. Und es wäre absurd, davon auszugehen, dass Tiere die Dinge so «sehen», wie wir es tun. Jedes Tier sieht die Welt in einem anderen Licht. Tiere sind keine Menschen, aber sie sind auch keine Steine. Katzen denken und verhalten sich wie Katzen. Affen denken und verhalten sich wie Affen. Hunde denken und verhalten sich wie Hunde. Nur wenn wir uns die Mühe machen zu verstehen, wie Hunde denken und wie sie sich verhalten, werden wir das ganze Ausmass der Qualen ermessen können, die sie in Versuchslabors erleiden.
Alle Tiere sind verschieden. Katzen fressen gern Mäuse. Kühe mögen Gras. Affen schwingen sich mit ihrem Schwanz von Baum zu Baum. Ratten verspeisen mit Genuss, worüber wir nicht einmal hinweglaufen mögen.
Es ist eindeutig falsch, menschliche Eigenschaften auf Tiere zu übertragen und Erwartungen und Hoffnungen aus Verhaltensmustern abzuleiten, die eventuell etwas ganz anderes bedeuten. Aber wir haben in jedem Falle die Möglichkeit, genügend Kenntnisse über tierisches Verhalten zu gewinnen, um uns annähernd ein Bild davon zu machen, was sie mögen und was sie nicht mögen.
Im Jahre 1965 entschied die britische Regierung, dass der schmale Maschendraht auf dem Boden von Hühnerkäfigen den Hühnern das Laufen erschwere. Ein wohlmeinendes Komitee aus «menschlichen» Experten fasste den Entschluss, dass dickerer Draht besser sei. Als man die Hühner jedoch wählen liess, entschieden diese sich mit klarer Mehrheit für den dünneren Maschendraht. So überstimmten die Hühner die distinguierte Beratergruppe der Regierung, indem sie zu guter Letzt zeigten, dass sie selbst am besten wussten, was sie wollten (d.h. welche von zwei grausamen Alternativen ihnen mehr zusagte).
Durch eine genaue und sorgfältige Beobachtung von Tieren lässt sich herausfinden, welche Lebensweisen sie bevorzugen, und es stellt sich heraus, dass Tiere stets die erträglichste Alternative wählen, wenn man ihnen nur die Wahl lässt.
Den Menschen, die Tierversuche durchführen, ist jedoch nicht im Geringsten daran gelegen, herauszufinden, welche Eigenschaften die Tiere haben, die sie benutzen. Sie wollen nicht wissen, dass die von ihnen benutzten Tiere intelligent genug sind, um eine Wahl zu treffen. Sie mögen sich gar nicht vorstellen, dass die Tiere, die sie halten, eventuell eine andere Lebensweise bevorzugen könnten. Tatsächlich werden Labortiere unter grausamen und brutalen Bedingungen gehalten. In der Art und Weise, wie diese Tiere benutzt und missbraucht werden, offenbart sich eindeutig, dass die Verantwortlichen sich noch nicht im Entferntesten bemüht haben, die Wesen zu verstehen, mit deren Leben sie so leichtfertig umgehen.
Die feine Ironie dabei liegt darin, dass Forscher oftmals behaupten, dank ihren Laborbeobachtungen Aussagen über Verhaltensmuster oder über die Giftigkeit getesteter Stoffe machen zu können. Tatsächlich sind diese Beobachtungen und Aussagen völlig wertlos, weil die Tiere in unnatürlichen Bedingungen gehalten werden, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben.
(Fortsetzung im nächsten «Albatros»)
Dr. med. Vernon Coleman, Devon, England, www.vernoncoleman.com
(Mit freundlicher Genehmigung: «raum&zeit», www.raum-und-zeit.com)