Methodische Defizite in der Forschung
Es ist unwahrscheinlich, dass Studien mit Affen verlässliche Belege liefern für einen Zusammenhang zwischen sozialem Status und Herzerkrankungen bei Menschen – so lautet das Ergebnis der weltweit ersten systematischen Untersuchung der Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet.Die Untersuchung, im März 2012 veröffentlicht in der Fachzeitschrift «PlosOne», kommt zu dem Ergebnis, dass diese Studien in der Gesundheitsforschung zwar gern angeführt werden, die Beweisführung jedoch nur den jeweils eigenen Interessen dienend ausgelegt wird. Eine verallgemeinernde Übertragung der Ergebnisse aus den Affenversuchen auf das menschliche Verhalten ist hierbei nicht gewährleistet.
Psychosoziale Faktoren wie Stress, soziale Instabilität und das Arbeitsumfeld werden oft für die Entstehung von Krankheiten verantwortlich gemacht. Bei der Beurteilung dieser Einflüsse auf Menschen bedient sich die Wissenschaft oft eines Modellversuchs mit Primaten. Dies, da es zum einen einfacher ist, Veränderungen von deren Lebensumständen herbeizuführen, und zum anderen aufgrund ihrer biologischen Nähe zum Menschen. Solche Studien haben die Grundlage dafür geschaffen, dass man Faktoren wie Stress oder die Stellung in der sozialen Hierarchie massgebend dafür hält, dass manche Menschen an Krankheiten leiden und andere nicht.
Forscher der London School of Hygiene & Tropical Medicine und der Universität Bristol führten eine intensive Untersuchung dieser Studien durch. Sie fanden 14 Studien an Primaten, welche Zusammenhänge zwischen Herzkranzgefässerkrankungen und dem sozialen Status und/oder psychosozialem Stress untersuchten. Ihre Zusammenfassung: «Gesamthaft liefern Studien an nichthumanen Primaten nur einen begrenzten Hinweis für einen Zusammenhang zwischen sozialem Status und Herzkranzerkrankungen. Trotzdem werden immer wieder einzelne Studien an Affen für Beurteilungen und Kommentare zur Krankheitsentstehung beim Menschen zitiert. Diese verallgemeinernde Übertragung von Daten aus Affenversuchen auf das menschliche Verhalten ist jedoch nicht gestattet.»
Der Hauptautor, Mark Petticrew, Professor für Public Health Evaluation an der London School of Hygiene & Tropical Medicine, sagt, dass ohne eine vorherige Überprüfung ihrer Gültigkeit diese Primatenstudien nur von geringem Nutzen sind dafür, Theorien über menschliche Krankheitsursachen aufzustellen. Weiter sagt er: «Bevor wir Ergebnisse aus der Primatenforschung auf unsere menschliche Gesellschaft übertragen können, müssen wir sicherstellen, dass die Ergebnisse aus diesen Studien auch verlässlich sind. Systematische Beurteilungen von Tierstudien sind noch immer selten, aber sie sind essentiell für die Beurteilung ihrer Erkenntnisse hinsichtlich Beständigkeit und Aussagekraft. Es ist nicht wissenschaftlich, sich selektiv auf eine Handvoll positiver Ergebnisse zu stützen und all diejenigen zu verwerfen, die nicht zur Hypothese passen.»
Die Forscher warnen in ihrer Untersuchung auch vor einer verallgemeinernden Übertragung der Ergebnisse aus Studien an Primaten auf die menschliche Gesellschaft. Sie heben hervor, dass viele Primatenforscher selbst auf die beschränkte Erkenntnisgewinnung hingewiesen haben, da ihre Erkenntnisse sich nicht einmal notwendigerweise auf Affen ähnlicher Gattungen, manchmal nicht einmal innerhalb derselben Gattung, übertragen liessen.
Der Gesundheitssystemforscher Sir Iain Chalmers, einer der Gründer der «Cochrane Collaboration» und Koordinator der James Lind Initiative, kommentiert: «Vor tausend Jahren warnte bereits Ibn Sina vor einer unvorsichtigen Extrapolierung von Tierversuchen auf Menschen; dennoch, wie die Studie von Petticrew und Davey Smith zeigt, wird diese Praxis auch heute fortgesetzt. Zunehmende systematische Beurteilungen von Tierstudien in jüngster Zeit nehmen sich dieses Problems an. Wie Petticrew und Davey Smith hier aufzeigen, haben diese Beurteilungen nicht nur Verzerrungen bei der Wiedergabe aufgedeckt, sondern auch wichtige methodische Defizite in vielen Tierstudien.»
London School of Hygiene & Tropical Medicine: http://www.lshtm.ac.uk/newsevents/news/2012/puzzling_over_links_between_monkey_research_and_human_health.html
Quelle:
Studie (englisch) im Detail: http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0027939