Bei den Strassenhunden in Lugoj
Aus einer Spontanidee wurde Realität. Vollbepackt mit Materialspenden reisten wir nach Lugoj, einer kleinen Stadt in Westrumänien. Wir verbrachten eine Woche mit dem Schweizer Tierschützer Otto Forster, der vor Jahren dorthin ausgewandert ist. Otto unterstützt die rumänische Familie Balaj, welche sich um verletzte und hilfsbedürftige Strassenhunde kümmert.
Von Otto erfahren wir die Geschichte von Free Amely: Eines Tages fuhr er zum städtischen Tierheim von Lugoj, wo er auf die Rumänin Elena Balaj traf. Elena arbeitete früher für das staatliche Tierheim. Damals wurden die Hunde oft noch grauenvoll getötet. Sie wollte nicht mehr tatenlos zusehen und übernahm einen Gebäudeteil des Tierheims, musste jetzt aber privat dafür aufkommen. Deshalb gründete sie den Verein Free Amely 2007. Amely war der erste Hund, den der Verein im Jahr 2007 in eine bessere Zukunft schicken konnte. Ihre Familie, Sohn Daniel und Ehemann Dorel, unterstützte sie zwar tatkräftig, jedoch fehlte es an Futter und Material, um die Hunde am Leben zu erhalten. Als Otto Forster sie antraf, weinte sie bitterlich und war völlig verzweifelt. Dies war der Startschuss: Seitdem kümmert sich Otto Forster mit Leib und Seele um den Verein.
Wenig sinnvolle Kastrationsaktion der Stadt
Mit dem Auto unternahmen wir unsere täglichen Touren. Beim Tierheim halfen wir putzen und führten die Hunde aus. Die Tiere haben leider keine Auslauffläche – noch nicht. Neben dem privaten Tierheimboden befindet sich die staatliche Auffangstation. Der Begriff «Gefängnis» ist jedoch bezeichnender. Die Hunde sind entweder in winzigen Zwingern, oder sie sind mit etwa 100 anderen in einem «grossen» Zwinger. Krankheiten und Beissereien sind Alltag. Die Stadt führt Kastrationsaktionen durch. Anstatt dass man die Hunde wieder aussetzt, werden sie danach in dieses Tierheim eingesperrt – für immer. Biologisch macht das keinen Sinn. Es kommen einfach neue Strassenhunde nach.
Der Verein finanziert Tierarzt und Kastrationen
Beim Füttern der Strassenhunde in der Stadt fanden wir eine kleine verletzte Hündin. Wie praktisch jeder Strassenhund, dem wir begegneten, war sie sofort zutraulich. Wir brachten sie zu einem lokalen Tierarzt. Dieser kastriert und verarztet monatlich Dutzende von Strassenhunden; organisiert und finanziert wird die Aktion von Free Amely. Malaika, so tauften wir die Hübsche, hatte hohes Fieber. Auf der Strasse hätte sie kaum einen Tag länger überlebt. Wir brachten sie ins Tierheim.
Unbekannte werfen Welpen über den Zaun
Bei unserer Ankunft war das kleine Tierheim mit über 30 Hunden komplett ausgelastet – dachten wir. Denn allein in unserer Woche hat sich die Zahl der Hunde in einer Nacht nochmals um neun vergrössert. Drei Welpen wurden über den Zaun im Tierheim «entsorgt». Dann gebar eine Hündin weitere sechs Welpen. Zwei andere sind noch trächtig. Aber zu glauben, dass nicht noch mehr Hunde kommen, war wiederum falsch. Direkt neben der Hauptstrasse fanden wir drei herzlos entsorgte Welpen. Für den ausgehungerten, verschmusten Strassenhund Maroni, den wir noch fanden, hatte es dann keinen Platz mehr im Tierheim. Ein lokaler tierliebender Lehrer versprach uns, den wunderschönen Maroni im Quartier im Auge zu behalten und zu füttern. Wir beschlossen, dass Maroni bald kastriert werden sollte. Die unaufhörliche Vermehrung der Strassenhunde muss verhindert werden.
Oberste Priorität ist eine Veränderung der Mensch-Tier-Beziehung vor Ort
Zu unseren Touren gehörten auch Kontrollen. Mit Otto und der Familie Balaj besuchten wir ein altes rumänisches Paar. Sie haben einen Hund vom Tierheim übernommen, und Otto besucht sie regelmässig, um nach dem Wohl des Hundes zu schauen. Dem Hund ging es gut, und Free Amely schenkte dem Paar zum Dank eine Hundehütte. Dann besuchten wir eine ältere rumänische Frau auf dem Land. Sie füttert dort täglich die Strassenhunde. Otto unterstützt sie, wo er nur kann. Einer ihrer Hunde wurde im Dezember 2012 von einem Mann mit einer Axt brutal und lebensgefährlich verletzt. Free Amely finanzierte die Operation, und dem Hund geht es heute wieder gut. Einen weiteren Besuch statteten wir bei Ottos rumänischen Nachbarn ab. Ihre Hündin hatte Welpen geworfen und «wohnt» in einem kleinen Holzkäfig. Otto besucht die Nachbarn oft und motiviert die Kinder, mit der Hündin spazieren zu gehen. Immer mehr kann er beobachten, wie die Familie sich besser um ihren Hund kümmert. Auch die Aufzucht der Welpen behält Otto im Auge und versorgt sie mit Futter. Das wichtigste Ziel von Free Amely ist, dass die Menschen in Rumänien eine bessere Beziehung zum Tier gewinnen. Durch Schulbesuche und Schulausflüge ins Tierheim hofft Otto auf gutem Weg zu sein. Mit seinem Netzwerk verschafft er sich in der Politik und in der Öffentlichkeit Gehör.
Zum Schluss gingen wir dann an den Ort, wo die Zukunft der hilfsbedürftigen Hunde von Lugoj liegt. Wir besuchten das Grundstück, auf dem das neue Tierheim gebaut werden soll. Das neue Tierheim wird über Freilaufflächen verfügen, wo sich die Hunde austoben können. Zudem wird es grössere Zwinger haben, eine Krankenstation und eine Welpenstation. Das neue Tierheim wird für über 120 Hunde Platz haben. Die Kosten belaufen sich auf 80 000 Euro. Für Schweizer Standard ist das sehr bescheiden. Wir haben einen Beitrag dafür geleistet und hoffen, dass es einige uns gleichtun werden. Denn wenn jeder etwas spendet, kann das Projekt realisiert werden. Zum Schluss wollen wir uns bei Otto und den Balajs für ihre unendlich wertvolle Arbeit bedanken.
Sandra Dürrenberger und Sabine Müller
Free Amelywww.freeamely.ro |
Erstellungsdatum: 27.8.2013, Nachtrag: 30.9.2015
Fotos: zur Verfügung