Spannende Wochen der «Bambine»
Es war ein langer und ereignisreicher Sommer im Abatino, der voller Überraschungen steckte. Spezielle Wochen für die «Bambine» (Mädchen) waren dabei die Kurse (siehe unten), deren Teilnehmer sie interessiert beobachteten. Sie bewunderten die lebendigen Farben eines Kleidungsstückes, schlichen ein glitzerndes, baumelndes Armband an, vergnügten sich beim Versuch, Brillen von zerstreuten Teilnehmern zu stehlen oder ein farbiges Handy zu entwenden. Mit offenem Mund bewunderten sie einen Fotoapparat. Sie lernten auch viele neue Düfte und Geschmäcke kennen.
Im letzten Sommer hatten wir theoretische sowie praktische Ausbildungskurse zur Leitung von Refugien und Rehabilitationszentren durchgeführt. Diese organisierten wir von «Vitadacani onlus» im Parco Funistico in Piano dell’Abatino. Es gab drei Kurse (vom 6. bis 12. Juli, vom 19. bis 26. Juli und vom 2. bis 9. August 2014). Das Ziel dieser Wochen war zum einen, Gelder für den Unterhalt der «Bambine» zu sammeln. Auch machten wir damit den wunderschönen Park, in welchem sie geschützt leben können, bekannter. Zudem wurden die Teilnehmer für die Realisierung und Leitung von Refugien für Tiere ausgebildet (Pflege von wilden, verletzt aufgefundenen Tieren, damit diese wieder in ihr Habitat entlassen werden können; Pflege von exotischen Tieren, die – oft illegal – in unserem Land gestrandet sind; Pflege von geretteten «Versuchs-» und «Nutztieren», welche aus Labors oder vor der Fleischindustrie gerettet wurden).
Die «Bambine» genossen diese spannende Abwechslung und die rege Aufmerksamkeit, die sie erhielten. Die volle Aufmerksamkeit der ehrenamtlichen Mitarbeiter war nur für sie – die Königinnen des Parks – da. Wenn man geduldig war, konnte man sie in Ruhe beobachten. Auf Zehenspitzen, um sie nicht zu stören, haben die Kursteilnehmer gelernt, sie leise mit ihren Namen zu rufen und sie in der Gruppe zu unterscheiden.
Erlebnisse und Einblicke in das Leben der «Bambine»
Monique lockert meine Haare auf. In Wirklichkeit ist ihr Ziel jedoch ein anderes – sie will meine Haarspange ergreifen. Sie ist immer sehr neugierig auf die silbernen Haarspangen. Diese glänzen bewundernswert im Sonnenlicht. Als es nicht so einfach klappt, versucht Monique sie aus meinen Haaren zu reissen, und sie bedroht mich dabei mit ihrem Mund – so halt, wie nur sie es machen kann :-). Hinter ihr schaut klammheimlich Andy (auch ein Weibchen) diesem Spiel zu. Dabei kratzt sie genüsslich ihren Fuss, als ob nichts wäre. Wenn man sie ansieht, schaut sie gleich woanders hin und tut so, als ob sie uns nicht bemerkt hätte. Jedoch ihre Neugier ist stärker: Auf leisen Sohlen kommt Andy uns immer näher.
Shiva scheint in ihren Gedanken verloren. Sie sieht so aus, als ob sie in ihrem Gedächtnis etwas suchte. Vielleicht erinnere ich sie an jemanden aus ihrem vergangenen Leben, jemanden, den sie aus der Ferne kennt? Sie zieht eine Augenbraue hoch und sieht mich irgendwie finster und fragend an. Dabei bewegt sie sich majestätisch langsam den Bäumen und Brettern in der Voliere entlang. Plötzlich rennt sie hoch hinauf und beobachtet uns von dort oben. Sie sieht wirklich wie Shiva – die Göttin – aus und schaut, wie wenn irgendein gemeines Wesen sie aus den herrlichen Urwäldern oder aus dem ruhigen Tempel herausgerissen und bis hierher verschleppt hätte. Und so beobachtet sie mich nachdenklich, ob ich nicht irgendwo in ihrer Erinnerung vorkomme.
Dann plötzlich während dieses magischen Augenblickes kommt Viola und «zerstört» alles :-). Wie immer schreit sie laut, und alle «Bambine» hören mit der Tätigkeit, mit welcher sie gerade beschäftigt waren, auf. Viola «fordert», dass alle sich auf sie konzentrieren, dass alle, wenn auch nur für einen Augenblick, alles andere vergessen. Kurz danach geht alles wieder weiter wie vorher. Jede macht dort weiter, wo sie unterbrochen wurde. Danach beginnen das kollektive Pflegen des Felles, die Umarmungen und die zärtlichen Streicheleinheiten.
Plötzlich ist die Nacht da. Und ich beginne zu denken wie Shiva. Es sind magische Tage, magische Augenblicke zwischen Zauberei und Staunen. Wir sind weit weg von der Welt in der Mitte des Waldes, der uns beherbergt, verloren zwischen den Affen. Von aussen betrachtet sieht es aus wie eine andere Welt, mit verschiedenen Farben, Lauten, Düften und verlorenen, vergessenen Nuancierungen. Es ist fast Vollmond. Er durchscheint silbrig die Blätter der Bäume. Man sieht keine Sterne, ist verloren im weissen Lichterglanz des Mondes. Die Ruhe füllt die Nacht aus.
Ein weisser Hund – von uns Bianca genannt – wacht vor unserer Türe. Die Türe des Häuschens ist von Efeu bedeckt, in dem sich das Leben vieler Insekten und Schnecken abspielt. Bianca hat eine Hütte, aber sie bleibt lieber hier, auf der Fussmatte der ehrenamtlichen Mitarbeiter und Teilnehmer des Praktikums. Ihr unsicheres Bellen durchdringt ab und zu die stille Ruhe der Nacht.
Die Mädchen schlafen selig im Mondschein. Gogò, eine wunderschöne Cocker-Spaniel-Hündin, die mit uns mitgekommen ist, legt sich hin unter den schimmernden Olivenbäumen. Dann hört man die Stimme eines Nachtvogels und plötzlich von weit weg das fragende Singen eines Gibbons.
Und damit ist ein weiterer glücklicher Sommer im Leben der «Bambine» vorbei.
Im nächsten Sommer wiederholen wir diese magische Erfahrung. Wir warten auf euch! – Freunde der «Bambine», kommt und lernt sie kennen!
Herzlichen Dank an die AG STG für ihre grosszügige finanzielle Unterstützung.
Cristina und Sara und das Team von Vitadacani onlus
www.vitadacani.org
Erstellungsdatum: 26.02.2015
Fotos: Zur Verfügung