Kaum jemand bekennt sich heute vorbehaltlos zu Gewaltanwendung, Folter und Mord. Dennoch kommt dies nicht nur gegenüber Tieren, sondern auch gegenüber Menschen tagtäglich vor. Gibt es eine Gemeinsamkeit bei der Rechtfertigung solcher Verbrechen?
Ob dieser Vergleich ethisch korrekt ist, sei erstmal dahingestellt (Mahatma Gandhi würde ihn wohl kaum akzeptieren). Da der Vergleich aber so oft praktiziert wird, lohnt es sich, näher darauf einzugehen.
In Bezug auf Tierversuche lautet der Vergleich folgendermassen:
Tierversuche werden gemacht, weil man mit dem Leid der Tiere angeblich grosses Leid bei Menschen verhindern kann. Dies ist die Werbebotschaft der Pharma- und Kosmetikindustrie seit Jahrzehnten. Damit dieser Vergleich von den angesprochenen Menschen akzeptiert wird, braucht es drei Punkte:
Zu Punkt 1: Die Werbung spricht möglichst weitverbreitete und tödliche Krankheiten an (Krebs, Aids), ohne jedoch selbst nach Jahrzehnten irgendwelche Erfolge vorweisen zu können. Insbesondere werden auch Kinder für die Werbung oft missbraucht, um den Mitleideffekt zu fördern.
Der Fleischverzehr ist deshalb ein wesentlicher Punkt, von dem die Tierversuchsindustrie profitiert: Wenn man bereits die Befriedigung des Gaumens als genügend guten Grund sieht, um einem Tier das Leben zu nehmen, noch bevor es richtig zu leben begonnen hat, kann dies ethisch kaum unterboten werden. Fast jede Rechtfertigung eines Tierversuches wäre dann dagegen quasi bereits ethisch akzeptabler (vorausgesetzt er würde medizinisch Sinn machen).
Hinzu kommt, dass in beiden Bereichen mit Unwahrheiten argumentiert wird: Auf der einen Seite wird behauptet, dass wissenschaftlicher Fortschritt ohne Tierversuche unmöglich sei, auf der anderen Seite, dass ein gesundes Leben ohne Fleischkonsum unmöglich sei.
Dass man auch ohne Fleischkonsum gesund leben kann, beweisen heute bereits unzählige Vegetarier (die oft sogar gesünder als Fleischesser sind), deshalb hört man diese Argumentation höchstens noch im Zusammenhang mit Kindern (als ob es keine lebenslangen Vegetarier geben würde).
Doch wie bei den Tierversuchen wirkt offenbar diese Strategie auch hier: Wer würde schon die Gesundheit eines Kindes aufs Spiel setzen wollen. Deshalb gibt man ihm lieber etwas Fleisch und macht zu seinem angeblichen Schutz Tierversuche, damit es gesund aufwachsen kann.
Dass man dabei jedoch echten medizinischen Fortschritt, der sich mit der Gesunderhaltung auseinandersetzt (statt der Symptombekämpfung durch Entwicklung immer neuerer Medikamente), blockiert und die Gesundheit des Kindes durch zu viel tierische Fette, Cholesterin und diverse Hormone im Fleisch riskiert, erfahren viele Menschen leider zu spät.
Ein Umdenken in der Mensch-Tier-Beziehung würde nicht nur die Tierzucht zur blossen Fleischproduktion, sondern auch die Zucht von Versuchstieren in Frage stellen. Deshalb sollte dieser Ansatz bei Tierversuchsgegnern künftig stärkere Beachtung finden.
Renato Pichler
Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus (SVV)
www.vegetarismus.ch
Der Vergleich
Ja, praktisch allen Rechtfertigungsversuchen ist gemeinsam, dass man mit einem kleineren Übel ein grösseres abwenden möchte. Bei der Beurteilung, ob das Quälen von Mensch und Tier zulässig ist, wird also ein Vergleich zweier «Übel» gemacht.Ob dieser Vergleich ethisch korrekt ist, sei erstmal dahingestellt (Mahatma Gandhi würde ihn wohl kaum akzeptieren). Da der Vergleich aber so oft praktiziert wird, lohnt es sich, näher darauf einzugehen.
In Bezug auf Tierversuche lautet der Vergleich folgendermassen:
Tierversuche werden gemacht, weil man mit dem Leid der Tiere angeblich grosses Leid bei Menschen verhindern kann. Dies ist die Werbebotschaft der Pharma- und Kosmetikindustrie seit Jahrzehnten. Damit dieser Vergleich von den angesprochenen Menschen akzeptiert wird, braucht es drei Punkte:
- Das möglicherweise zu verhindernde Leiden bei Menschen muss hervorgehoben und als Tatsache hingestellt werden
- Das Leiden der Versuchstiere muss heruntergespielt werden
- Es muss eine direkte Verbindung zwischen dem kleinen und dem grösseren Übel hergestellt werden
Zu Punkt 1: Die Werbung spricht möglichst weitverbreitete und tödliche Krankheiten an (Krebs, Aids), ohne jedoch selbst nach Jahrzehnten irgendwelche Erfolge vorweisen zu können. Insbesondere werden auch Kinder für die Werbung oft missbraucht, um den Mitleideffekt zu fördern.
Leidensfähige Tiere?
Ohne den zweiten Punkt wären die beiden anderen jedoch kaum genug wirksam: Wäre es allgemein anerkannt, dass Versuchstiere dieselben Schmerz- und Angst-Empfindungen haben wie Menschen und ihnen auch Schutz vor Folter und Mord zustehen würde, wäre es kaum noch möglich, Tierversuche als ethisch akzeptabel hinzustellen. Dies ist auch der Grund, weshalb Proteste gegen Tierversuche mehr Unterstützung in der Öffentlichkeit erhalten, wenn sie nicht gegen Mäuse- und Rattenversuche, sondern gegen Hunde- und Primatenversuche durchgeführt werden. Kaum ein Hundehalter wird behaupten, dass ein Hund kein Schmerzempfinden hat und keine Angst oder Trauer verspüren kann. Es ist deshalb relativ leicht nachzuvollziehen, dass beim Vergleich zwischen einem kleineren Übel (Quälen eines Hundes) und dem grösseren Übel (möglicherweise Heilen von Menschen von einer Krankheit) ein Tierversuch an einem Hund eher hinterfragt wird, als wenn es sich um ein anderes Tier handelt.Mensch-Tier-Beziehung
Was bei dieser Tierversuchsdiskussion jedoch fast immer vergessen wird, ist die grundsätzliche Einstellung des Menschen gegenüber den Tieren: Wir von der SVV sehen es als völlig unvernünftig zu behaupten, dass es ethisch nicht akzeptabel ist, ein Tier für Versuche zu missbrauchen, während man es als akzeptabel ansieht, ein Tier zur blossen Befriedigung des eigenen Gaumens nur wenige Monate nach seiner Geburt zu töten. Und damit sogar Massentierhaltung, Tiertransporte und viele andere tierverachtende Tätigkeiten zu unterstützen.Der Fleischverzehr ist deshalb ein wesentlicher Punkt, von dem die Tierversuchsindustrie profitiert: Wenn man bereits die Befriedigung des Gaumens als genügend guten Grund sieht, um einem Tier das Leben zu nehmen, noch bevor es richtig zu leben begonnen hat, kann dies ethisch kaum unterboten werden. Fast jede Rechtfertigung eines Tierversuches wäre dann dagegen quasi bereits ethisch akzeptabler (vorausgesetzt er würde medizinisch Sinn machen).
Hinzu kommt, dass in beiden Bereichen mit Unwahrheiten argumentiert wird: Auf der einen Seite wird behauptet, dass wissenschaftlicher Fortschritt ohne Tierversuche unmöglich sei, auf der anderen Seite, dass ein gesundes Leben ohne Fleischkonsum unmöglich sei.
Dass man auch ohne Fleischkonsum gesund leben kann, beweisen heute bereits unzählige Vegetarier (die oft sogar gesünder als Fleischesser sind), deshalb hört man diese Argumentation höchstens noch im Zusammenhang mit Kindern (als ob es keine lebenslangen Vegetarier geben würde).
Doch wie bei den Tierversuchen wirkt offenbar diese Strategie auch hier: Wer würde schon die Gesundheit eines Kindes aufs Spiel setzen wollen. Deshalb gibt man ihm lieber etwas Fleisch und macht zu seinem angeblichen Schutz Tierversuche, damit es gesund aufwachsen kann.
Dass man dabei jedoch echten medizinischen Fortschritt, der sich mit der Gesunderhaltung auseinandersetzt (statt der Symptombekämpfung durch Entwicklung immer neuerer Medikamente), blockiert und die Gesundheit des Kindes durch zu viel tierische Fette, Cholesterin und diverse Hormone im Fleisch riskiert, erfahren viele Menschen leider zu spät.
Ein Umdenken in der Mensch-Tier-Beziehung würde nicht nur die Tierzucht zur blossen Fleischproduktion, sondern auch die Zucht von Versuchstieren in Frage stellen. Deshalb sollte dieser Ansatz bei Tierversuchsgegnern künftig stärkere Beachtung finden.
Renato Pichler
Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus (SVV)
www.vegetarismus.ch