Richterin sieht Menschenaffen nun mit anderen Augen

Sachwalterschaftsprozess für Schimpansen Hiasl geht in die 2. Instanz

Wien, am 25. April 2007
Anfang Februar 2007 brachte der VGT-Obmann DDr. Martin Balluch im Sachwalterschaftsgericht Mödling, NÖ, einen Antrag auf Besachwalterung des Schimpansen Hiasl ein, der 1982 aus dem Dschungel in Westafrika entführt und illegal nach Österreich gebracht worden war. Das Ziel dieses Prozesses ist, dass Hiasl als Person anerkannt wird und mittels Sachwalter seine eigenen Interessen vertreten kann. Eine unglaubliche Welle internationaler Medienaufmerksamkeit wurde durch diesen Prozess ausgelöst: Von den USA über Europa bis nach China, Japan und Neuseeland berichteten die wichtigsten Tageszeitungen objektiv über die Situation. BBC World brachte einen fast dreiminütigen Beitrag, der weltweit einen ganzen Tag lang einmal pro Stunde gesendet wurde. Antragsteller DDr. Balluch kommentiert: «Dieses Medieninteresse zeigt, dass die Zeit für die Diskussion über den Status von Menschenaffen reif ist. Ein Schimpanse, mit 99,4% genetischer Übereinstimmung mit uns, ist ganz offensichtlich keine Sache. Dann kann er aber nur eine Person sein, weil unser Gesetz sieht keine andere Möglichkeit vor.»

Hiasl: Aus dem Dschungel in Westafrika entführt und illegal nach Österreich gebracht

Hiasl: Aus dem Dschungel in Westafrika entführt und illegal nach Österreich gebracht

Die zuständige Richterin Dr. Bart verlangte zunächst die Identität von Hiasl mittels Pass zu belegen. Durch Aussagen der damaligen Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins sowie durch langjährige Pfleger/-innen und Freunde/-innen von Hiasl konnte seine Identität aber auch ohne Pass zweifelsfrei nachgewiesen werden. Ende letzter Woche erliess die Richterin daraufhin einen Beschluss, wonach das Verfahren beendet wäre, weil Hiasl nicht als geistig behindert zu bezeichnen sei und ihm keine unmittelbare Gefahr drohe. Der Rechtsexperte des VGT, Mag. Eberhart Theuer, kündigt an, dagegen zu berufen: «Hiasl ist durch die Entführung im Kindesalter und den langen Aufenthalt in Gefangenschaft traumatisiert. Er kann auch nicht mehr in Afrika in der Wildnis leben. Abgesehen davon droht ihm durch den finanziellen Engpass des WTV die Abschiebung ins Ausland mit unkalkulierbaren Risiken für sein Wohlergehen und sein Leben. Richterin Dr. Bart hat im Gespräch als Beispiel für eine Person, der ein Sachwalter zur Seite gestellt werden sollte, einen traumatisierten Flüchtling angeführt, dem die Abschiebung droht und der seine Rechte selbst nicht wahrnehmen kann. Das aber ist genau Hiasls Situation. Wenn die Richterin das Verfahren auf dieser Basis nicht weiterführen will, dann werden wir bei der nächsten Instanz, dem Landesgericht Wr. Neustadt, Rekurs einlegen.»

Richterin sieht Menschenaffen nun mit anderen Augen

Der Antragsteller DDr. Balluch dazu: «Gestern konnte ich in freundlicher Atmosphäre mit der Richterin ein 90-minütiges Gespräch führen. Sie hat weder bei diesem Gespräch noch in ihren bisherigen Beschlüssen angezweifelt, dass Hiasl eine Person ist. Sie hat auch viel Verständnis für unseren Antrag gezeigt und gemeint, sie könne nicht mehr vor dem Gehege von Schimpansen im Zoo stehen und über ihr Verhalten lachen. Sie würde Schimpansen jetzt mit anderen Augen sehen. Aber leider fürchtet sie, eine Bestellung eines Sachwalters für einen Schimpansen könnte in der Öffentlichkeit als eine Degradierung von besachwalterten Menschen zu Tieren angesehen werden. Diese Befürchtung muss man zwar ernst nehmen, aber sie lässt sich entschärfen. Ein Mensch, der besachwaltert wurde, sollte genauso wenig als defizitäres Wesen gesehen werden, wie ein Schimpanse kein defizitäres Wesen ist. Beide sind Individuen mit ihrer eigenen Persönlichkeit und ihrer eigenen Lebenswelt wie alle anderen Menschen auch, nur dass sie in unserer hiesigen Gesellschaft nicht ohne Hilfe zurechtkommen.»

Schimpansen: Sachen oder Personen?

Und weiter: «Die Frage der Personalität von Schimpansen ist hoch aktuell und, wie sich gezeigt hat, im grössten öffentlichen Interesse. Als Person anerkannt, wäre Hiasl niemandes Eigentum mehr, er könnte, im Gegenteil, selbst Eigentum haben und wäre in der Lage, sein zukünftiges Schicksal zu bestimmen. Kein Tierschutzgesetz schützt ihn vor der Abschiebung ins Ausland. Er wird nur durch Spenden gütiger Mitmenschen und des WTV erhalten. Als Person könnte er auch die Verantwortlichen für seine Lage zur Verantwortung ziehen und von ihnen Schadenersatz und Lebensunterhalt verlangen und gerichtlich durchsetzen. Die Gesellschaft ist jetzt bereit für diesen Paradigmenwechsel im Umgang mit unseren nächsten Verwandten, den Schimpansinnen und Schimpansen.»

Verein gegen Tierfabriken Österreich, www.vgt.at