Ein qualitativer Vergleich zwischen: - Tierversuchen - Ersatz- und Alternativmethoden zu Tierversuchen - Tierversuchsfreien Forschungsmethoden |
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PharmakologieWie wirkt sich ein bestimmter Stoff nach einer gewissen Verabreichungsdauer auf die Leber aus? |
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TierversuchStoffwechseltest an RattenDie Testsubstanz wird mehreren Ratten gleichzeitig verabreicht. Um herauszufinden, welche Wirkung die Testsubstanz zu verschiedenen Zeitpunkten auf die Leber des Tieres hat, wird jede Ratte dieser Gruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt getötet. Die Leber wird entnommen und auf Schädigungen untersucht.
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Ersatz- und AlternativmethodeSchweineleberzellkultur im BioreaktorDa sich mit Hilfe eines Bioreaktors der Zellverbund einer Leber nachstellen lässt, kann er als dreidimensionales Leberkulturmodell dienen. Der Bioreaktor besteht aus mehreren voneinander unabhängigen Hohlfasermembransystemen. Hohlfasermembransysteme sind hohle Fasern, deren Wände teildurchlässig sind und wie Membranen im lebendigen Organismus einen Stoffaustausch zwischen abgegrenzten Systemen ermöglichen. Eines dieser Systeme wird mit den Endothelzellen (Lymph- und Blutgefässwandzellen mit wichtigen Eigenschaften als Regulatoren und Produzenten diverser Stoffe) einer Schweineleber gefüllt. Die restlichen Systeme sind je für die Zell-Nährstoff-, die Zell-Sauerstoffversorgung und für den Abtransport von Abfallprodukten verantwortlich. Zwischen diesen Hohlfasermembransystemen werden Schweineleberzellen angesiedelt. Dank der Membraneigenschaft der einzelnen Hohlfasermembransysteme sind alle Systeme miteinander verwoben, und die Leberzellen wachsen dreidimensional zwischen den verschiedenen Systemen.Um zu untersuchen, wie eine Testsubstanz auf die Schweineleber wirkt, wird diese dem System beigegeben und zu verschiedenen Zeitpunkten mengenbestimmt. Durch das Messen des Sauerstoffverbrauchs, des Zuckerstoffwechsels und der Menge bestimmter Enzyme lässt sich ausserdem die Giftigkeit des Stoffes messen.27
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Tierversuchsfreie MethodeHepaToxHepaTox ist ein miniaturisierter 3D-Bioreaktor, der nach dem gleichen Grundprinzip wie der «Schweineleberzellkultur-Bioreaktor» ein dreidimensionales Leberkulturmodell darstellt. Allerdings wird bei HepaTox humanes Biomaterial verwendet, womit der Zellverbund in der menschlichen Leber sehr realistisch nachgestellt wird. Dank des Einsatzes verschiedener Leberzellen von unterschiedlichsten Patienten lässt sich auf das grosse Problem der individuellen Leber-Unverträglichkeiten eingehen.
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QualitätskontrolleIst ein Impfstoff durch Pyrogene (entzündlich wirkender Stoff, der Fieber auslösen kann) verunreinigt? |
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TierversuchPyrogentestUm herauszufinden, ob der zu testende Stoff durch Pyrogene verunreinigt ist, wird dieser mehreren Kaninchen injiziert. Die Kaninchen werden für mehrere Stunden in einer kleinen Box fixiert, wo ihre Körpertemperatur ununterbrochen rektal mittels Thermometer gemessen wird.Steigt die Körpertemperatur eines Kaninchens während des Tests an, schliesst der Forscher daraus, dass die Testsubstanz verunreinigt ist. Umgekehrt gilt eine Testsubstanz als nicht pyrogen, wenn die Körpertemperatur des Kaninchens nicht ansteigt.29
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Ersatz- und AlternativmethodeLimulus-Amböbozyten-Lysat-Test (LAL-Test)Für diesen Test wird Pfeilschwanzkrebsen Blut abgenommen. Die Testsubstanz wird zu einer Lösung aus den blutkörperchenähnlichen Zellen des Pfeilschwanzkrebsblutes gegeben. Falls die Testsubstanz durch Pyrogene verunreinigt ist, verklumpen die Zellen in der Lösung.29
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Tierversuchsfreie MethodePyroDetectBei dieser Methode wird menschliches Blut aus Blutspenden verwendet. Die Testsubstanz wird zum Blut dazugegeben und auf menschlicher Körpernormaltemperatur gehalten. Ist die Testsubstanz durch Pyrogene verunreinigt, bilden sich – wie dies durch das Immunsystem auch im menschlichen Körper der Fall wäre – Antikörper und Botenstoffe, welche ganz eindeutig nachgewiesen werden können.31,32
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SchmerzforschungWie wirkt ein neues potentielles Schmerzmittel auf die Schmerzwahrnehmung? |
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TierversuchSchmerzforschung an lebenden TierenUm die Wirkung eines neuen Schmerzmittels zu erforschen, wird einer Ratte ein Katheter ins Rückenmark gelegt und ihr auf diesem Weg das zu testende Mittel verabreicht.Anschliessend wird ein heisser Lichtstrahl auf den Schwanz gerichtet und beobachtet, wie heftig die Ratte auf den Schmerz reagiert. Als Indikator für die Wirksamkeit des Testmittels gilt dabei die Zeit – je länger es dauert, bis die Ratte ihren Schwanz aus dem Lichtstrahl zieht, um so besser schneidet das Schmerzmittel im Versuch ab.34
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Ersatz- und AlternativmethodeKultivierte SpinalganglienAus dem Rückenmark von Rattenembryos werden Nervenzellen gewonnen. Die Nervenzellen werden kultiviert und bilden dabei ein Netz aus Nervenzellen mit funktionierenden Synapsen (Kontakt- und Umschaltstelle für die Erregungsübertragung zwischen den Nervenzellen). Die Zellkulturen werden mit Neurokinen (Botenstoffe, die Informationen über die Synapse von einer Nervenzelle zur anderen weitergeben) behandelt. Die Übertragung dieser Botenstoffe kann nun genaustens nachvollzogen werden, da sich die elektrische Signalübertragung von Sender- zu Empfängernervenzellen feststellen und studieren lässt.Da Schmerzmittel den Zweck haben, diese Erregungsleitung zu erschweren, können sie durch Überprüfung des elektrischen Signals in der Empfängerzelle bewertet werden.
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Tierversuchsfreie MethodeFunktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)Um ein neues Schmerzmittel auf seine Wirkung zu untersuchen, wird dieses dem Schmerzpatienten verabreicht, und mittels fMRT werden Aufnahmen seines Gehirnes gemacht. Schmerz bedeutet eine erhöhte Aktivität der schmerzverarbeitenden Hirnregionen und kann dank der Bildgebung genau beobachtet werden. Die Wirksamkeit des Schmerzmittels lässt sich danach bewerten, wie schnell die erhöhte Aktivität der schmerzverarbeitenden Hirnregionen auf normalem Niveau ist. Stoffverhalten und Stoffwechselvorgänge lassen sich bei Bedarf durch weitere tomographische Verfahren, wie Positronen-Emissionstomographie oder funktionelle Magnetresonanzspektroskopie, untersuchen.
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Magen-Darm-ForschungWelche Auswirkungen haben Medikamente auf den Magen-Darm-Trakt? |
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TierversuchUntersuchung am SchweinUm die Auswirkung bestimmter Stoffe auf den Magen-Darm-Trakt zu untersuchen, werden Schweinen künstliche Öffnungen in den Darm gelegt. Diese dienen den Forschern als Darmzugänge, durch welche während der laufenden Untersuchung von aussen durch die Körperwand hindurch Proben aus dem Darm genommen werden. Je nach Fragestellung wird der Magen-Darm-Trakt des Schweins vor der Untersuchung chirurgisch manipuliert, zum Beispiel indem ihnen die Gallenblase abgebunden wird.37
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Ersatz- und AlternativmethodeVerdauungsorganeBeim Darmsimulator Colon-Simulationstechnik («Cositec») handelt es sich um eine Anlage, die aus mehreren Inkubationsgefässen besteht. Diese sogenannten Inkubationsgefässe sorgen dafür, dass die Stoffwechselprozesse zu kontrollierten Bedingungen, wie zum Beispiel ein darmcharakteristisches Mikroklima und darmtypische Temperatur, ablaufen können. Um zu untersuchen, wie sich bestimmte Stoffe auf den Darm auswirken, wird die Testsubstanz zusammen mit tierischem Darminhalt in die Gefässe gefüllt. Auf diese Weise werden die Stoffwechselprozesse im Darm nachgeahmt. Um die Verdauung und Resorption im Magen zu simulieren, wird unter anderem BioOK, ein Magensimulator, bei dem ebenfalls Schweinedarm zum Einsatz kommt, verwendet.38, 39
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Tierversuchsfreie MethodeGastrointestinal Models (TIM)Das dynamische computergesteuerte In-vitro-Verdauungsmodell (TIM) macht es möglich, dass die menschliche Verdauung unter verschiedensten realitätsgetreuen Bedingungen untersucht werden kann.Das Verdauungsmodell besteht aus Modell TIM-1, welches Magen und Dünndarm mit all dessen Abschnitten (Zwölffinger-, Leer- und Krummdarm) darstellt, und Modell TIM-2, welches den Dickdarm simuliert. Die Hauptbestandteile von TIM-1 sind vier miteinander verbundene Reaktionsräume, welche Magen, Zwölffinger-, Leer- und Krummdarm simulieren. Das Herzstück von TIM-2 ist das Reaktionsgefäss, welches den Dickdarm darstellt. Die Testsubstanz wird zusammen mit Speichelersatz dem Gefäss, das den Magen simuliert, beigegeben. Entsprechend der menschlichen Verdauung passiert die Testsubstanz nach dem Magengefäss die verschiedenen Darmgefässe. Dabei wird die menschliche Verdauung im Magen-Darm-Trakt, unter Berücksichtigung individueller Bedingungen wie Perestaltik, Enzymvorkommen, Verdauungssaftsekretion und Magen-Darm-Füllung, simuliert. Unverdauliches wird von TIM-2 ausgeschieden. Die Auswirkungen der Testsubstanz können in allen Verdauungsstadien untersucht werden. Abbauprodukte und Wechselwirkungen lassen sich durch beliebige Probenentnahmen aus den Gefässen oder Analyse der unverdaulichen Ausscheidungen untersuchen.40
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KrebsforschungWie verhalten sich Krebszellen hinsichtlich ihrer Ausbreitung? |
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TierversuchKrebsmodell MausUm das Verhalten von menschlichen Krebszellen studieren zu können, werden Mäusen menschliche Tumorzellen implantiert. Da ein gesunder Organismus die fremden Zellen abstossen würde, werden genmanipulierte Mäuse eingesetzt. Als Krebsmodell eignen sich vor allem Mäuse mit angezüchteter Immunschwäche, da diese die fremden Zellen nicht abstossen, sondern riesige Tumore entwickeln.Nun werden das Verhalten der Tumore und die Metastasenbildung beobachtet. Die Maus wird getötet und die Tumorzellen untersucht.42
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Ersatz- und AlternativmethodeKrebsmodell ZebrafischAls Krebsmodell dient hier der genmanipulierte Zebrafisch. Durch gezielte Züchtung kann dieser keine Pigmente bilden, wodurch sämtliche Organe durch seine transparente Haut hindurch einsehbar sind.Um das Verhalten menschlicher Krebszellen im Zebrafisch studieren zu können, werden diese mittels Injektion eingebracht. Die Krebszellen können von aussen durch die Haut beobachtet werden. Schlussendlich wird das Tier getötet, die Zellen entnommen und untersucht.43, 44
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Tierversuchsfreie MethodenZellmodellierung auf BiochipsDiese Technik ermöglicht der Forschung, die noch unbekannten molekularen Mechanismen der Kommunikation zwischen Tumor- und gesunden Zellen zu untersuchen. Die Mechanismen der Metastasierung lassen sich mit Hilfe dieses Zellkommunikations-Modells lebensecht erforschen. Um die Zellkommunikation zwischen Krebszellen und Zellen prämetastatischer Nischen erforschen zu können, werden menschliche Zellen auf speziellen Zellträgern, sogenannten Biochips, in Bioreaktoren kultiviert. Prämetastatische Nischen sind die Stellen im Körper von Krebspatienten, die sich sozusagen im Stadium vor der Bildung von Metastasen befinden. Tumorzellen sorgen mit Botenstoffen dafür, dass sich eigentlich noch gesundes Gewebe so verändert, dass sich Krebszellen später an diesem bestimmten Ort ansiedeln können, um Metastasen zu bilden.Die Interaktionen zwischen Krebs- und gesunden Zellen und die Entstehung von Metastasen können dank dieser Methode unter den Bedingungen, wie sie auch beim menschlichen Krebspatienten gegeben sind, erforscht werden.47, 48
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Parkinson-ForschungWie lässt sich die Parkinson-Krankheit behandeln? |
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TierversuchForschung an PrimatenDie Parkinson-Forschung mittels Tierversuch betreibt ihre Forschung an Tieren, indem sie durch die Injektion von Nervengift die Symptome der Parkinson-Krankheit simuliert.Dazu wird Affen MPTP, ein Nervengift, welches bei der fehlerhaften Herstellung von synthetischem Heroin entsteht, injiziert.49 MPTP zerstört die Zellen, die für die Herstellung des Neurotransmitters Dopamin zuständig sind. Als Folge zeigen die Tiere den Parkinson-typischen Dopaminmangel mit den Symptomen wie Bewegungsprobleme, übermässiger Speichelfluss und erhöhte Muskelaktivität. Anschliessend werden den Affen Elektroden in die primäre motorische Hirnrinde implantiert oder/und Substanzen injiziert und deren Auswirkungen auf die Parkinson-ähnlichen Symptome beobachtet. Abschliessend wird das Gehirn entnommen und untersucht.50
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Ersatz- und AlternativmethodeGold-Nanopartikel-Zellmarkierung in TierenAuch bei dieser Methode müssen zuerst die Symptome der Parkinson-Krankheit durch die Injektion von Nervengift simuliert werden. Anschliessend werden Zellen des im Versuch verwendeten Tieres mit Gold-Nanopartikeln versehen. Die Gold-Nanopartikel dienen
als Zellmarkierung und sorgen dafür, dass das Verhalten der markierten Zellen langfristig mittels Röntgenbildverfahren beobachtet werden kann.
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Tierversuchsfreie MethodenHumane NervenzellkulturDank dieser Methode lässt sich genau der Typ menschlicher Hirnzellen studieren, der bei der Parkinson-Krankheit degeneriert und verantwortlich für die Parkinsonsymptome ist.Diese speziellen Nervenzellen lassen sich aus Hautzellen von Parkinson-Patienten, die an einer Mutation des Parkin-Gens leiden, anzüchten. Anhand der Zellkulturen lässt sich nun unter anderem erforschen, wie die für die Parkinson-Krankheit typische Dopamin-Funktionsstörung zustande kommt und wie dem entgegengewirkt werden kann.
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Den kompletten Artikel (erschienen im Albatros Nr. 36 - September 2012) können Sie hier downloaden: Die Medizin der Zukunft - Die Möglichkeiten der tierversuchsfreien Forschung |
Quellenangaben - Forschung der Zukunft |